हिमालय में ग्लेशियर Manaslu-Circuit

Gepostet am Nov 16, 2013 in Alle Berichte, Asien, Geschichten sind Speisen für's Ohr.., Hochtour, Mountains, Nepal, per pedes, Wandern kleiner T4 | 2 Kommentare

हिमालय में ग्लेशियर Manaslu-Circuit

um den Manaslu rund herum

[21. Oktober – 3. November 2013]

Manaslu – bereits aus der Ferne hatte uns dieser mystisch klingende Name neue Kräfte eingehaucht. Zu Fuss im Himalaya unterwegs zu sein, hatte uns seit langem nach Nepal gelockt. Unüberwindbar, wie das mächtige Manaslu-Massiv mit dem achthöchsten Berg der Erde sich uns präsentierte, nahmen wir den Weg unter die Füsse, welcher rundherum führt. Von Arugath Bazar bis zum Larkye La Pass folgten wir stets dem Fluss Budhi Gandaki und bewegten uns auf einem einst wichtigen Handelsweg, welcher Tibet und Nepal verband. Auf schmalen Pfaden, eingekerbt in die Felswände der tiefen Schluchten ging es in abgelegene und tibetische geprägte Dörfer. Beim Gehen inmitten der abwechslungsreichen Szenerie mit entgegenkommenden Maultierkarawanen und Yaks, Dorfbewohner mit immensen Lasten vergassen wir zeitweise die recht happigen Tagesetappen.
Unterwegs wartete der Thulo Larkye Peak 6249m auf uns, doch waren uns die Geister des Berges nicht gut gestimmt – Gipfelchancen mussten wir wegen starken Winden, bedrohlicher Kälte und viel Schnee frühzeitig begraben. Trotzdem überraschten uns unterwegs einmalige, befreiende und berührende Momente mit Menschen in ihrer überwältigenden Ursprünglichkeit, faszinierenden Naturszenen inmitten des grandiosen Himalaya-Gebirges und das Eintauchen in eine spirituelle Welt, die uns beim Weitergehen beflügelten.
 
 
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Kathmandu – Arughat Bazar

Nach 3 Stunden Fahrt eng aneinander gedrückt seit Kathmandu, waren wir nun auf einer lehmigen Erdpiste unterwegs und wichen falls möglich den eingefahrenen Rinnen aus. Die erste Etappe hatten wir auf einer teilweise asphaltierten, aber völlig überfüllten Strasse im chaotischen, nepalesischen Verkehr zurückgelegt. Die uralten, tonnenschweren Lastwagen und Busse, die sich im Schritttempo unter teils immenser Rauchentwicklung die Hänge hoch quälen, lassen den Verkehr beinahe stehen. Die Strassenqualität lässt zu wünschen übrig, auch noch in der Hauptstadt sind sie teils grottenschlecht. Auf der Fahrt von Dhading Besi nach Arughat quert man zwei gigantische Molasserücken zwischen den Bächen Ankhu Netrawati Khola und unserem künftigen Begleiter dem Budhi Gandaki. Die Strasse hat ihren Namen nun gar nicht mehr verdient, Schlammlöcher, Bäche, auch Baumstämme und anderen Hindernisse müssen gequert oder ausgewichen werden.

Einmal um eine Ecke gebogen, war ein Bus in Schräglage in der Fahrrinne festgefahren. Weder links noch rechts war an ein Vorbeikommen zu denken. Unsere starken Träger gingen zielstrebig zum Bus, der Busfahrer liess eine dunkle Abgaswolke durch den Auspuff aufsteigen und nach wenigen Malen hin- und her schaukeln vermochten sie den Bus aus dem tiefen Loch herausschieben. Die Fahrt konnte weiter gehen. Glücklicherweise waren wir 8 mit einem geländetauglichen Jeep mit fähigem Fahrer unterwegs. Wo wir anfangs noch die Luft angehalten hatten, sahen wir uns später gelassen in doch bemerkenswerter Seitenlage die prekären Stellen passieren.

Arughat war nach 6 Stunden Fahrt bereits in Sichtweite, als uns die Weiterfahrt aufgrund der örtlichen „Dorfbestimmungen“ verhindert wurde. So ging es für uns zu Fuss weiter, der Jeep mit aufgeladenem Gepäck auf dem Dach kam später nach – dies wohl gegen eine sogenannte Gebühr. Arughat ist ein verstaubter, kleiner Ort, der nicht viel bietet: dirty roads, chicken, goats and cows und viele staunende Menschen. Da kamen wir im abgewohnten „Hotel“ Manaslu unter, einem „Teahouse“ mit bereits saftigen Wasserpreisen (50 Rappen/Liter). Auf einer Holzpritsche, „gepolstert“ mit einer Strohmatte, verbrachten wir die bewegte Nacht – Hüft- oder Schulterschmerzen liessen einem regelmässig aufwachen.

Maultierkarawanen auf schmalem Pfad unterwegs

Day 1: Arughat – Soti Khola – Lapubesi

Kurz vor 8.00 nach Chapati (Mehlteig) und Honig konnte unser Abenteuer zu Fuss endlich losgehen. Bis ins Dorf Soti Khola ging der Weg auf der westlichen Seite des Budhi Gandaki mit leichter Steigung bergauf – bis dorthin fuhren noch Busse. Schon auf den ersten Kilometern mussten wir zum Überqueren eines Baches die Schuhe ausziehen – das konnten ja noch interessante 3 Wanderwochen werden. Immer wieder passierten wir da schon die herunterfallenden Bergkämme, die meist einige zu meisternde Höhenmeter bedingten. Beim Einkehren in ein Teahouse wurde für uns eine Pfanne Reis aufs Feuer gestellt, Gemüse geschnitten, Tee gekocht. Das Gemüse-Curry mit Reis schmeckte köstlich. Mit dem Wandern war unser Appetit zurückgekehrt, welchen wir seit unserer Abreise von zu Hause noch nicht wieder verspürt hatten.

Von Soti Khola aus wurde aus dem breiten Feldweg ein in die Felsen eingekerbten Pfad in oft gefährlicher Höhe. Je weiter wir ins Tal kamen, desto mehr Reisfelder, in teils spektakulär steilen Terrassen angebaut und kurz vor der Ernte, bekamen wir zu sehen. Unterwegs kreuzte uns eine Familie. Das grössere Mädchen lief an der Hand der Mutter, der jüngere Junge wurde – wahrscheinlich vom Grossvater – getragen. Beide waren offensichtlich blind oder zumindest stark sehbehindert. Weil diese Beobachtung im Tal des Budhi Gandaki nicht die einzige war, fragten wir uns, ob sie wohl durch einen Vitamin-A-Mangel erblindet oder blind geboren worden waren. Beim Weitergehen begleitete uns das Schicksal dieser Kinder noch lange. Was bedeutete dies wohl für eine nepalesische Familie, die tief im Tal „am Abgrund“ lebte, die beiden Kinder ernähren mussten, ohne dass sie wohl einst nahezu selbstständig leben konnten? In einem unterentwickelten Land wie Nepal mit einer Behinderung zu leben, bescherte den Betroffenen unbeschreiblich harte Lebensumstände, die einem zutiefst bedrückte.

Inmitten saftig-grünen Reisfelder kamen wir zu einem Dorf namens Lapubesi, wo auf einer flachen Terrasse erstmals unser Zelt aufgestellt wurde. Auf unsere vertrauten Exped-Matten freuten wir uns besonders – eine ungewohnt bequeme Schlafunterlage!

Nach einem erneut sehr feinem, frisch zubereiteten Nachtessen – eine weitere Gemüse-Curry-Reis-Variation – und einer gemütlichen Runde mit anderen Trekkern bei allmählich prekären Lichtverhältnissen war irgendwann Feierabend und Zeit, sich ins Zelt zu verkriechen.

Streckenübersicht  Arughat 496m – Lapubesi [Distanz →  ~26 km   ↑ 470 Hm  Zeitaufwand ca. 6h]

 

Day 2: Lapubesi – Machhakhola – Tatopani

Nach Chapati mit Honig und Zusammenpacken unserer sieben Sachen konnte es losgehen. Weiter ging’s auf schmalem, ausgesetzten Pfad und wir passierten Stelle um Stelle, wo dieser um steile Ecken führt, überdacht mit Felsen. Zwei Tage zuvor hatte an einer solchen Passage eine 28-jährige Touristin gestanden, bevor sie von einer entgegenkommenden Maultierkarawane zum Warten gezwungen wurde und von der seitlichen Ladung eines Maultiers unglücklich abgedrängt und zu Tode gestürzt war. Mit vorsichtigen Schritten ging’s für uns weiter.

Seit Beginn unserer Manaslu-Umrundung folgen wir dem Fluss Budhi Gandaki bis zu seinem Ursprung am Larkye La Pass in beinahe zwei Wochen. Er zeigte bereits in den ersten Tagen seine eindrücklichsten Facetten – einmal breit und zahm, dann schmal und reissend aber meist wildschäumend und sich weiter in die Schlucht fressend. Der wilde Begleiter Budhi Gandaki und seine Schlucht wurde immer tiefer. Teilweise ragen seine beidseitigen Felswände mehrere hundert Meter in den Himmel. Auf einer grünen Schwemmebene, leicht erhöht über dem Budhi Gandaki, machten wir Halt. Es war zwar erst nach neun Uhr, doch der Hunger war bereits gross. Uns fiel es schwer, trotz täglichen Märschen mit nur drei Mahlzeiten am Tag auszukommen. Suraj, unser Assistenzguide, fragte beim wohl nur saisonal besetzten Unterstand nach gekochten Eiern – von nun an war „egg-break“ wann immer möglich als morgendliche Verpflegung eingeführt.

Machhakhola war nur noch ein Steinwurf entfernt – um halb elf waren alle 8 von unserer kleinen Expedition mit dem verfrühten Mittagessen einverstanden. Fried Rice mit geraffeltem Yak-Käse gab’s, mit Ingwer gewürzt – köstlich! Nachmittags wurden wir von der Sonne gebraten – die Täler waren zwar schmal, mit dem passenden Sonneneinstrahlungswinkel wurde es jedoch unglaublich heiss, Schattenplätze rar. Auf diese doch auch kräftezerrende Begebenheit waren wir irgendwie nicht gefasst gewesen.

Nachmittags kamen wir irgendwann in Tatopani, dem Dorf der heissen Quelle an. „Tato“ bedeutet in Nepali „heiss“ und „Pani“ – ein sehr wichtiges Wort, Wasser. Den ganzen Nachmittag konnten wir dort ausgedehnte Dusch- und Badeorgien der Nepali beobachten – vor allem unsere nepalesischen Begleiter schienen das herrlich warme (ohne Kaltwasser-Beimischung heisse) Wasser am meisten zu geniessen, da sie in Kathmandu damit wohl nicht verwöhnt sind. Dal Baht, das nepalesische Nationalgericht mit Reis, Curry-Gemüse, einem Blattspinat-ähnlichen Kraut und Dal, einer reichhaltigen Linsensuppe, stand abends auf dem Speiseplan. Als uns das Licht endgültig ausgegangen war, krochen wir vor sieben in unser Zelt.

Streckenübersicht  Lapubesi 774m – Tatopani 966m [Distanz →  ~14 km   ↑ 350 Hm  Zeitaufwand 5h 40]

Day 3: Tatopani – Dobhan  – Yaruphat – Jagat

Unser Guide Tula war morgens früh in der Küche unseres Teahouses verschwunden und hatte für die ganze Truppe Chapati und Curry-Kartoffeln zubereitet – nach diesem Frühstück sollten wir wohl nicht mehr so schnell wieder hungrig werden. An diesem Morgen wanderten wir oft im Halbschatten von Bäumen und später nieder werdenden Sträuchern. In Dobhan gab es Black Coffee und Black Tea, im nächsten Dorf Yaruphat war „egg-break“ angesagt. Auch unsere Träger, meist etwas im Voraus, forderten zwei gekochte Eier pro Mann ein. Sie trugen ja auch ungeheure Lasten – geschätzte 30-40 Kg. Beim niedrigen Stein-Holz-Häuschen der Familie, bei welcher wir draussen sassen, hatte es vor kurzem Nachwuchs gegeben. In Nepal werden in diesen Regionen die Kinder in ovalen Körben getragen oder irgendwo hingestellt. Das Körbchen war mit einem Tuch zugedeckt, doch die Händchen des wachen Bébés liessen dieses bewegen. Inmitten der lebendigen Kinderschar kippte plötzlich das Körbchen und in einem Tuch eingewickelt kam ein Junge zum Vorschein, zufrieden wie schon zuvor. Die Mama packte ihn, versicherte sich, dass nichts geschehen war und präsentierte ihn uns stolz. Vor gut einem Monat sei er hier im Haus geboren worden. Nach gegenseitigem Bestaunen und Kommunizieren mit Händen und Füssen winkten wir der Familie beim Fortgehen.

Der weitere Weg war etwas harzig. Nach den beiden Tagesetappen zuvor waren die Beine heute etwas schwer, nicht zuletzt wegen den subtropischen Temperaturen. Auch unsere Träger zeigten Schwäche – fast alle Viertelstunde setzten sie ihre schweren Körbe ab. Deshalb waren dann auch alle einverstanden, als wir gemeinsam entschieden, bereits in Jagat unser Lager für die nächste Nacht aufzuschlagen.

Nach einer Verschnaufpause und Lunch genehmigten wir uns eine Dusche – 40° heiss für Frau (entgegen 200 Rupien), kalt für Mann (50 Rupien = 50 Rappen), wie paradox das auch klingen mag. In den schmalen Tälern wurde es nämlich nach schweisstreibenden Temperaturen früh schattig und damit frisch bis abends schon kalt, deshalb die warme Dusche. Das war dann vorerst auch das letzte Mal, um dies hier vorwegzunehmen. In unserem neu erworbenen, zusammenfaltbaren Waschbecken wuschen wir unsere Kleider – diese musste wohl morgen noch am Rucksack zu Ende trocknen. Der Nachmittag mit Körper- und Materialpflege, Gesprächen mit anderen Trekkern und Reiseberichte schreiben war ausgefüllt und ging viel zu schnell um.

Streckenübersicht  Tatopani 966m – Jagat 1420m [Distanz →  ~16 km   ↑ 420 Hm  Zeitaufwand 4h 45]

Day 4: Jagat  – Philim  – Pewa  – Deng

Die „Swiss-Rösti“ mit Yak-Käse, verspiesen am gestrigen Abend war ein einkalkuliertes Risiko. Leider zeigte sich, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit einer vorübergehenden Erkrankung des Magen-Darm-Trakts durch den Verzehr von Yak-Produkten tendenziell wohl höher als 50% war. Nach anhaltender Übelkeit, erlösendem Erbrechen mitten in der Nacht am Zeltausgang, Bauchkrämpfen und Unwohlsein mit ständigem Rumwälzen bis am Morgen und nach Durchfall war das schlimmste überstanden. Für einmal hatte es nicht Räphu erwischt. Gerade heute wartete jedoch eine happige Etappe auf uns.

An szenischen Dörfern mit regem Dorfleben vorbei und über eine extrem lange Nepalbrücke führte der Weg nach Philim. Die steil nach oben führenden Steinplattentreppen waren streng in der bereits morgendlich brütenden Sonne. Und auch die Überquerung der Nepalbrücken waren nicht ohne. Je mehr Leute gleichzeitig darauf unterwegs waren, desto mehr schwankten sie. Sich im Gleichgewicht zu halten, brauchte einen gewissen Kraftaufwand. Bei den langen Hängebrücken gelang auch der Gegenanstieg am Ende nicht ohne zusätzlichen Effort. Unzählige Nepalbrücken hatten wir in diesen vier Trekkingtagen bereits überquert, doch immer wieder war dies ein luftiges Erlebnis, der Tiefblick in die Schluchten des Budhi Gandaki zeigte uns wiederholt die stete Kraft des Wassers.

Am Ende des Tages hatten wir wahrscheinlich über 30Km abgespult, währenddem der Weg ständig steile Auf- und Abstiege zu bieten hatte und Sarah dies an den Rand völliger Erschöpfung trieb – essen und auch trinken mit anhaltender Übelkeit war schwierig. Doch irgendwann nach fast 9 Stunden unterwegs erreichten wir mit langsamen, aber stetigen Schritten das erstmals ungemütlich kalte Deng – das Teahouse war nicht durchgehend mit Fenster abgedichtet, der Bergwind zog durch die Ritzen und offenen Fenster, es war bereits um 16.15 düster in der Enge des mächtigen Gandaki-Tals!

Streckenübersicht  Jagat 1420 – Deng 1860m [Distanz →  ~28 km   ↑ 1200 Hm  Zeitaufwand 7h 20]

Day 5: Deng – Namrung

Heute sind wir nicht viel mehr Höhenmeter aufgestiegen, als an den Vortagen. Allerdings gings heute mal anständig in die Höhe, ohne immer gerade wieder runter zu steigen. Dies ist in den ersten 4 Tagen etwas zermürbend, wenn man sich lieber in der kühleren Höhe befindet, als in der sengenden, subtropischen Hitze. Bisher fühlte es sich so an, dass man den ganzen Tag steil hoch, danach umso steiler wieder runter stieg. Dieser Vorgang reihte sich beinahe endlos aneinander. So machten wir in den ersten Tagen unheimlich viele Höhenmeter, blieben jedoch immer ungefähr auf der gleichen Höhe „stecken“. Dies änderte sich zum Glück nun langsam.

Nach dem frühzeitigen Überqueren des Budhi Gandaki liefen wir nun auf der östlichen Seite des Flusses. In stetigem Auf und Ab zog sich der Weg langsam aber kontinuierlich in die Höhe. In Ghapsya machten wir Mittagsrast und stiegen danach in nur 2h relativ direkt und ohne ewiges Auf und Ab rund 800 Höhenmeter auf. Namrung ist ein wunderbares Dorf. Die zentrale „Strasse“ ist mit dicken und breiten Bodenplatten belegt, die Teahouses wirken freundlich, aufgeräumt und das Essen war gut. Namrung liegt auf knapp 2700m. Und es war die erste Nacht, in der der dickere Schlafsack her musste, da der dünne kälte-technisch nicht mehr ausreichte.

Streckenübersicht  Deng 1860m – Namrung 2690m [Distanz →  ~14 km   ↑ 900 Hm  Zeitaufwand 5h 45]

 

Day 6: Namrung – Lho

Kurz nach dem Abmarsch wechselten wir wieder über eine Nepalbrücke auf die östliche Seite des Budhi Gandaki in einen tief in den Stein geschlagenen Pfad. Später mussten wir eine typisch nepalesische Holzleiter erklimmen – einen aufgestellter Holzbalken mit darin eingeschlagenen Tritten. Unterwegs hätte man den Himalchuli, einen der markantesten und höchsten Berge dieser Region sehen können, allerdings waren die Bergketten an diesem Nachmittag durch Wolken verdeckt. Vor Lho wechselten wir, wie schon am Tag zuvor, wieder auf die westliche Seite des Budhi Gandaki. Wir besichtigten am Nachmittag in nebliger Stimmung das Nyingmapa Monastry und trafen dort grosse Kinderscharen an. 250 Mönche leben in diesem Kloster. Einige der kleinen Buben waren von ihren Eltern von Buthan nach Nepal in dieses Kloster geschickt worden.

mystischer Rückblick über Lho

Kurz nachdem wir unsere Wäsche aufgehängt hatten, fing es an zu regnen und damit das Bangen um unser Zelt. Es ist wohl unser Schicksal, dass wir uns oft um die Wasserdichtigkeit unseres Schlafplatzes kümmern müssen – wir vermissten unser Zelt von zu Hause. Unser Guide schlug uns vor, in ein Zimmer im Teahouse zu zügeln – das machen wir dann auch prompt mit unserem gesamten Hab und Gut. Unsere bisher kälteste Nacht steht uns bevor: die Fensterritzen sind gross, die Winde stark und uns scheint es, als würden wir im Biwaksack draussen schlafen.

Streckenübersicht  Namrung 2690m – 3160m Lho  [Distanz →  ~ 12 km   ↑ 800 Hm  Zeitaufwand 4 h 30]

 

 

Day 7: Lho – Samagaun

Nach Lho stiegen wir gefühlt etwa 3Km in der Distanz, vielleicht 300Hm ab in eine Schlucht, eine riesige Entwässerungsrinne, wohl eines Gletschers, der für uns nicht sichtbar im westlichen Gebirgszug liegen muss. Es ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr der Budhi Gandaki, der uns innerhalb dieser Schlucht begleitet, ersterer fliesst nämlich östlicher um dieses Schluchtgebilde herum. Diesem Bach folgen wir in sehr herbstlicher Umgebung.

Auf einmal bekommen wir die ersten Yaks live zu sehen. Wenn auch die Tiere nicht besonders schön sind, faszinieren sie durch ihre optimale Anpassung an die extremen klimatischen Lebensbedingungen und ihre Bedeutung als Lebensgrundlage der Menschen im zentralasiatischen Hochland. Yak ist eine Rinderart, die im Himalaya, der Mongolei und im Süden Sibiriens verbreitet ist. Sie liefern Milch, Fleisch, Leder, Wolle und der Kot dient in getrockneter Form als Brennmaterial. Ausserdem werden Yaks als Last- und Reittiere genutzt, auch wenn ihre Haltung durchaus schwieriger ist, als die von Kühen. Die Tiere sind meist dunkelbraun bis schwarz gefärbt, auffallend ist die Bauchmähne an der Unterseite des Körpers als Schutz vor der Kälte. Einzelne Bauern mischen Yak und Kühe, um sie besser halten zu können. Ihre Yak-Qualitäten (Unberechenbarkeit, Kälteerträglichkeit) gehen danach aber auf Kosten von Kuhqualitäten (mehr Milch und einfachere Führbarkeit) verloren. Erstaunlicherweise ertragen Yaks Umgebungstemperaturen von -30 bis -40º C problemlos, ab Temperaturen von +20ºC verharren sie regungslos, fressen, trinken und wiederkäuen nicht mehr. Bei niedrigen Aussentemperaturen sinkt die Atemfrequenz bis auf 7 pro Minute, um den Wärmeverlust zu reduzieren – dies bedeutet ungefähr nur alle 8 Sekunden einen Atemzug. Der geringe Sauerstoffgehalt der Luft in den Höhenlagen schränkt sie trotzdem nicht ein – ein erstaunliches Tier.

Nach dem Aufstieg durch eine nordöstlich sich biegende Grube, geomorphologisch wohl immer noch dieses unbenannten Flusses Ursprung, die man gegen oben hin steil östlich aus dem mit Tannen bewachsenen Wald erklimmt, erreichten wir eine grosse, das Tal ausfüllende Fläche. Plötzlich waren wir dem Himalaya ganz nah!

Beim Dorfeingang treffen wir einmal mehr auf Gebetsmühlen zur Begrüssung. Eine Gebetsmühle ist ein Rad oder Walze, die aufgedruckte Gebete oder Mantras enthält. Beim Vorbeigehen – immer links – dreht man im tibetischen Buddhismus die Gebetsmühlen, um körperliche Aktivität und geistig-spirituelle Inhalte miteinander zu verknüpfen um diese körperliche Handlung in den Pfad der Erleuchtung zu integrieren. Das Drehen der Gebetsmühlen dient nach buddhistischer Überzeugung dazu, gutes Karma anzuhäufen. Eine einfache Motivation dieser Praxis ist es, dass durch das Drehen der Gebetsmühle alle in der Walze befindlichen Mantras durch die Drehung zum Wohle der fühlenden Wesen wirken, deren Leid beseitigen, ihnen Glück bringen und schlechtes Karma auflösen. Während wir diese Zeilen schreiben, dreht neben uns eine Gebetsmühle, welche wir ständig in Schwung halten und somit hoffentlich gutes Karma anhäufen.

Im Innenhof des Teahouses geniessen wir bei der Ankunft die herrlich wärmenden Sonnenstrahlen und das unglaubliche Panorama, dass uns rückblickend, also talabwärts geboten wird. Plötzlich läuft aus dem Hüttchen nebenan „Knocking on heavens door“ – ein packender Moment, glauben wir dem Himmel doch in diesem Moment um einiges näher zu sein als sonst! Der Manaslu und seine grossartigen Nachbaren sind heute noch nicht sichtbar, vielmehr hüllen sie sich wie gestern schon noch in Wolken. Die Spannung auf deren Anblick bleibt, wäre doch der Manaslu bereits ab Sho, drei Dörfer zuvor sichtbar gewesen.

Streckenübersicht  3160m Lho – Samagaon 3520m [Distanz →  ~ 8 km   ↑ 700 Hm  Zeitaufwand 4 h]

 

 

Day 8: Samagaon – Manaslu Base Camp

Der Morgen erwachte mit den ersten Sonnenstrahlen und einem der blausten Himmel, den uns die Natur bieten konnte. Unser Zelt war aussen mit Eis beschichtet. Die ersten Sonnenstrahlen waren in jeder Hinsicht von Bedeutung, taten der Seele gut und wärmten unsere kalten Hände und Füsse. Wir wollten den Tag nutzen, uns bei diesen perfekten Bedingungen zu akklimatisieren. Nach 7 Tagen durchgehendem Laufen kam dies nicht etwa einem Ruhetag gleich, nein, nach dem Frühstück war es unser Ziel, das Base Camp des Manaslu zu erreichen und danach wieder nach Samagaon abzusteigen. Daraus wurde ein amüsanter Teamausflug, denn auch die Träger wollten ohne Schwierigkeiten über den Pass kommen. Die beiden Guides Tula und Suraj sowie die Träger Sandip, Baldan, Novoraj und Nalu sind alle in demselben Dorf in der Solu Kumbu Region aufgewachsen und daher Freunde. Ohne die schweren Lasten am Rücken war rund um uns ständig ein freudiges Palaver und Lachen zu vernehmen – die dünner werdende Luft konnte ihnen nicht viel anhaben.

Von Samagaon aus – einem tibetisch geprägten Dorf wie bereits zuvor Lho – bogen wir nach der langen Mani-Mauer dorfausgangs in westliche Richtung auf einer erhöhten Ebene auf. Über eine Seitenmoräne des Manaslu-Gletschers stiegen wir hoch und gewannen schnell an Höhe. Oberhalb der Baumgrenze wurden wir mit einem Blick talwärts durch das Erscheinen des smaragdgrün schimmernden Gletschersees Birendra Tal überrascht und ob dem Bild gerade zu entzückt.

Ab 4200m war nun Schnee unsere Unterlage. Eine gute Spur bescherte uns einen einfachen Aufstieg, erst auf den letzten 100-200 Höhenmeter mussten wir durch den Tiefschnee stapfen – eine kräfteraubende Angelegenheit in dieser Höhe. Irgendwann zeigte der Höhenmesser 4600m an – die optimale Lage des Base Camps hatten wir wohl nicht gefunden, wir gaben uns jedoch mit der heutigen Tour zufrieden und diese Aussicht war fantastisch. Östlich, auf der anderen Talseite alles überragend sahen wir an die steilen Eiswände des Pangpuche Himal (mit Samdo Peak), in unserem Rücken ragte eine rund 2000m hohe Wand zum Gipfel des Naike Peaks. Westlich zwischen Moräne des Manaslu-Gletschers sahen wir die mächtig gewölbten Eiswände des Manaslu North. Weiter unten in mittlerer Distanz im Süden ragten hinter Simnang Himal die Berge Nadi Chuli (Peak 29) 7871m ü.M. und Himalchuli 7893m ü.M. in den Himmel. Ganz weit im Süden sind die zwei ebenfalls mächtigen Gipfel der Ganesh-Kette (Ganesh Himal) ersichtlich: Ganesh II 7118m ü.M. und Ganesh (Pabil) IV 7140m ü.M.

Auf dem Rückweg kamen wir am Ufer des Birendra Tal vorbei. Yaks badeten mit ihrem dicken, wolligen Fell im eiskalten See. In der Nachmittagssonne liessen wir hier unsere Hosen und Schuhe trocknen, bevor es nach unserer Rückkehr endlich eine gesunde Portion Dal Bhat zu essen gab.

Unser Teahouse war quasi eine „home-stay“, daher dem täglichen Leben der hier wohnenden Familie ganz nah. Unser Zelt stand im Innenhof, in der kleinen Küche drängten sich Nepali und wir beide auf einer Bank neben dem Feuer. Hinter uns schlief auf dem Fensterbank in einem Körbchen ein ganz kleines menschliches Wesen, welches manchmal Laute von sich gab und nach kurzem Schaukeln des Korbes wieder verstummte. Nebenan befand sich der Essraum für die Gäste. Unglaublich, was in dieser kleinen, spärlich eingerichteten Küchen teils über dem Feuer, teils über der gasbetriebenen Kochplatte alles für uns hergezaubert wurde. Momos (Teigtaschen mit Gemüse, Kartoffeln, Yak-Käse), Dal Bhat, Fried Rice, Curry-Vegetable-Rice, Chapati, Pancakes – alles war sehr fein und gab uns für die nächsten Tage genug Energie.

Um ca. 19.00 krochen wir mit kalten Füssen, jedoch mit einer Feldflasche heissem Lemon-Tea in der Daunenjacke versteckt, in unser Zelt. In unseren Schlafsäcken waren wir in Sicherheit vor der bissigen Kälte. Die Biwaksäcke über die Schlafsäcke gehüllt, trotzten wir ihr erfolgreich.

Streckenübersicht  Samagaon 3520m – Manaslu Base Camp 4620m [Distanz →  ~ 7 km   ↑ 1200 Hm  ↓1200m  Zeitaufwand 6 h]

 

 

Day 9: Samagaon (समा) – Samdo

Über eine schlammige Ebene mit einem kurzen Anstieg am Ende erreichten wir Samdo in zweieinhalb Stunden. Zwischen Samagaon und Samdo ist nun wohl die landwirtschaftliche Nutzung der Böden, wenn überhaupt, nur noch auf wenige Wochen im Jahr beschränkt und die Ernte sehr limitiert. Jetzt im Herbst ist der Boden bereits durchgefroren, die tiefen Buschpflanzen, Mose und Gräser schimmern im leuchtenden Morgenlicht braun-gelb und die kleinen Birkengewächse lassen an den sonnenbeschienenen Westhängen das helle Sonnenlicht an ihren geweissten Rinden reflektieren.

Die kurze Etappe kam uns gelegen, jedoch mussten wir in Samdo auf bereits fast 4000m den ganzen Nachmittag und Abend dem bissigen Wind und der eindringenden Kälte trotzen. Unser Teahouse bot uns zwar ein Dach über dem Kopf, der Wind blies jedoch unerbärmlich durch die Trockenmauern und Fensterritzen.

Beim frühnachmittäglichen Spaziergang durchs Dorf trafen wir auf eine Herde Yaks mit sonderlich dickem Fell, eine Frau an der Wasserstelle, die ihren Mann mit dem eiskalten Wasser aus dem Wasserschlauch in die Flucht trieb und dabei lachte, da er ihr zuvor unabsichtlich Wasser über den Kopf geleert hatte. Und da war noch dieser Urgrossvater, welcher zusammen mit Yak-Socken gerne seine gegen unsere Schuhe getauscht hätte. Leider mussten wir ihm erklären, dass wir unsere Schuhe im Schnee am Larkye La wohl noch brauchen würden.

Dicht um den Ofen gedrängt mit unseren schweizerisch-deutschen Manaslu-Freunden Olivia, Julika und Silvan fanden wir uns später drinnen, in voller Hoffnung, dass im Laufe des Abends eingeheizt wird. Hier hatte unsere Vernunft ein Ende und das Verständnis für das Verhalten der Dorfbewohner in diesen Höhenlagen wurde grösser. In den ländlichen Regionen Nepals ist das Abholzen der Wälder (Deforerstation) zum Heizen und Kochen ein schwerwiegendes Problem. Wälder in diesen empfindlichen Höhen sind sensible Ökosysteme, die einerseits Jahrzehnte bis Jahrhunderte oder gar um einiges länger brauchen, um sich da anzusiedeln und zu entwickeln. Andererseits hat man es hier oftmals mit mutierten Pflanzen zu tun, die sich über eine grössere Zeitspanne teilweise vielleicht unabhängig zu einzigartigen Lebensformen entwickelt haben. Die Grundbedingung für gesamthafte Ökosysteme in so sensiblem Lebensraum werden mit der Herausnahme nur einer Spezies unter Umständen ganzheitlich zerstört. Gewächse, die nur unter gegenseitiger Symbiose leben können, bilden die Grundlage für Hangstabilität, somit Erosionsschutz, Schutz vor Naturgefahren und bieten insbesondere Schutz für eben symbiotische Flora und Fauna.

Dennoch habe die Bewohner hier oftmals keine andere Möglichkeit. Beim Trekken sollte man deshalb darauf achten, dass Tee und Essen mit Gas zubereitet wird. Doch die Energienutzung in einer Familienhütte ist schwierig zu beurteilen, da sich die Familien ohnehin in den kleinen, verkohlten und rauchigen Küchen nahe am Feuer aufhalten, gleichzeitig wird dort die Energie zum Kochen genutzt. Im Vergleich dazu müssen die schweren Gaszylinder von Maultierkarawanen vom Tal in die Bergdörfer transportiert werden – dies dauert Tage und ist teuer. Währenddem Essen unter Berücksichtigung der limitierenden Landwirtschaftsbedingungen mit zunehmender Höhe gut erschwinglich bleibt (2-3 CHF pro Mahlzeit), ist heisses Wasser sehr teuer (5CHF für 2L Wasser).

Tatsächlich wurde kurz vor Sonnenuntergang eine sparsame Lage Holz in den Ofen getischt, danach bis zum Rand mit getrockneten Yak-Fladen gefüllt. Nachschub gab es keinen, doch rund um den Ofen wurde es richtig heiss, die Füsse warm und wir konnten in unseren Metalltassen und den eigenen Feldflaschen Wasser für Tee und Bettflaschen für die bevorstehende Nacht im Zelt kochen. Nach Dal Bhat konnten wir schön aufgewärmt in unsere Schlaf- und Biwaksäcke schlüpfen, währenddem kleine, gefrorene Schneekörner auf unser Zelt rieselten.

Streckenübersicht  Samagaon 3520m – Samdo 3950m [Distanz →  ~ 8 km   ↑ 400 Hm  Zeitaufwand 2 h 30]

 

 

Day 10: Samdo – Rui La  रुई ला (Lajyang Bhanjyang) – Dharamsala

An diesem Morgen starteten wir etwas früher als gewohnt, bogen in der Depression bei der Zusammenkunft der beiden Bäche Budhi Gandaki und des nicht benannten Bachs nach Norden ins Tal der Unbekannten, um drei Stunden später zum Lajyug Gebirgszug in östliche Richtung abzudrehen. Beim Kartenstudium war uns nämlich ein Pass mit der Höhe von 4998m aufgefallen, von welchem man von Nepal auf tibetisches Gebiet gelangen konnte – dort lag unser heutiges Ziel.

Mit eiskalten Füssen und brennendem Gesicht genossen wir nach dem Einfangen der ersten Sonnenstrahlen das Wandern durch das nur leicht ansteigende Tal. Wir kamen zügig voran, konnten uns unterwegs den Thermo-Hosen, dicken Handschuhen und Mützen entledigen. Wir waren alleine unterwegs, konnten in der Stille steinbock-ähnliche Tiere beobachten, die jedoch deutlich kleiner sind als jene in unserer Heimat.

Wir passierten auf der westlichen Seite grosse, noch nie gesehene aufgestellte Schieferschichten. Es muss sich hierbei um metamorphe Tonschichten handeln, schichtige Tonsedimente wäre wohl richtiger. Die vielen Ammoniten schliessen auf eine mögliche Herkunft der Schichten. Die Grenze der hohen Himalaya-Gebirge zum tibetischen Hochplateau, worauf wir uns befinden, ist in etwa auch die Grenze, wo der Zusammenstoss der Kontinente vor rund 60-70 Mio. Jahren stattfand. Es handelt sich daher bei diesen Schichten um Meeresschichten aus dem Schelfbereich, die gut erhalten bei der Gebirgsgenese aufgestellt wurden (approximativ und auch etwas spekulativ natürlich). Nach der Passierung der riesigen Seitenmoräne des Fukang Glaciers nach ungefähr fünf Kilometern hatten wir zu unserer Rechten den Schuttkegel im Visier, über welchen wir zum Pass finden würden. Glücklicherweise fanden wir bachaufwärts eine kleine, improvisierte Brücke, ohne welche wir wohl nicht ohne nasse Füsse hätten queren können. Bergauf bemerkten wir schnell, dass unsere Atemreserven auf über 4400m beschränkt waren. Doch das Motto war, solange man auch nur langsam geht, geht’s vorwärts. Auf halbem Weg am Schuttkegel gelangten wir in den Schnee. Zwei Wochen zuvor hatte ein Taifun an der Ostküste Indiens gewütet und auch Niederschlag in die Himalaya-Region in Form von Regen und Schnee gebracht. Wir hatten bereits von Lawinenniedergängen mit vielen Todesopfern gehört, trotz „optimaler Trekkingsaison“. Dies erklärte der viele Schnee auch in tieferen Lagen. In der ersten Woche kamen viele Trekker ihren Aufstiegsweg wieder runter, weil sie zu dieser Zeit den Larkye La nicht überqueren konnten.

Wir genossen das Gefühl, endlich hochalpin unterwegs zu sein. Auch wenn es einen grösseren Effort bedurfte als noch zuvor, die Luft merklich weniger Sauerstoff enthielt, ging es uns ohne Kopfschmerzen oder anderen Beschwerden sehr gut. Erst im Nachhinein, nach dem Erreichen des RUI LA und des LARKYE LA Passes wurde uns bewusst, wie locker wir diese ohne jegliche Beschwerden erreicht hatten. Obwohl man sagt, dass der Körper eine Akklimatisation an solche Höhenlagen nach zwei Wochen wieder „vergessen“ hat, fühlten wir, dass unsere Körper optimal funktionierten und wir uns wohl fühlten. Der stetige Anstieg von 3000 Höhenmetern in den vergangenen 10 Tagen hatte sicher dazu beigetragen, doch „erinnerten“ sich unsere Körper wohl auch an die letzten Monate, währenddessen wir in Südamerika und zu Hause in der Schweiz wiederholt und jeweils länger in Höhen von 3000 bis knapp 6000 Metern verbracht hatten.

Im Tal waren noch unsere spanischen Mitstreiter unterwegs. Zusammen mit Javier nahmen wir die letzten Schritte unter die Füsse, bis wir es tatsächlich geschafft hatten! Das Tor nach Tibet stand offen, das Tor nach China. Am liebsten wären wir weitergelaufen wie Heinrich Harrer während seiner sieben Jahre in Tibet. Die farbigen Gebetsfahnen flatterten im eiskalten Wind – wir freuten uns riesig, als hätten wir unerwartet einen Gipfel erreicht. Nach „Pass-Fotos“ und eingehenden Blicken nach Tibet machten wir uns an den Abstieg über den Schuttkegel. Für uns ging’s nicht nur zurück, sondern wir hatten noch den Marsch nach Dharamsala zum nächsten Camp und somit dem letzten vor der Passüberschreitung vor uns. Bis zur Abzweigung Samdo – Dharamsala in zwei Stunden zeigten wir keine Schwäche, der Weg zog sich aber ungeheuerlich in die Länge. Hungrig packten wir dort bei der Verzweigung unsere bedürftigen Proviant-Reserven aus und assen hastig, bevor es weiter ging. Alleine waren wir unterwegs, die beiden Berge Kyonggma Kharka und Naike Peak sowie eine davorstehend, unbeschreiblich mächtige aber jedenfalls für uns namenlose Gebirgskette begleiteten uns in der Südrichtung. Die Atmosphäre durch einzelne horizontal durchschienene Lichtstrahlen erhellt und der durch die beinahe sichtbaren Windböen durchzogenen Spätnachmittag war wunderschön. Zunehmend wurde es düsterer im tieferen Tal, doch die schneebedeckten Berge leuchteten unermüdlich, faszinierend, endloses Eis und Schnee – ehrfürchtig schauten wir währenddem hochschreiten empor. Das Panorama erleichterte uns das Weitergehen. Suraj und die vier Träger waren morgens direkt nach Dharamsala gelaufen und hatten dort bereits unsere Zelte errichtet. Kaum hatten wir in unserem Zelt (nach dem Hungerrast) Daunenjacke und -hose angezogen, wurde uns Black Tea mit Caramel-Bananengeschmack und eine riesige Portion Pop Corn serviert – das Beste, was wir uns in dieser Situation hätten wünschen können.

Wegen einer sich ankündigenden Schlechtwetterfront in zwei Tagen musste eine Entscheidung bezüglich unseren weiteren Plänen getroffen werden. Nach Konsultation anderer Meinungen und dem Wetterbericht aus Kathmandu entschieden wir uns schweren Herzens gegen den Larkye North Peak (den Thulo Larkye Peak hatten wir bereits zuvor aufgegeben) und für die Überschreitung des Larkye La am nächsten Tag. Trotz eigentlich gutem Wetter hätten wir auch am heutigen Tage nicht bergsteigen können. Der Wind war an diesen Tagen viel zu stark, die Schneemenge zu gross, wir hatten zu viel Respekt davor…

Kurzerhand wurden unsere Essensvorräte verkauft und wir vereinbarten Wake-up-Tea für am nächsten Tag um 5.00. Nach diesem anstrengenden und intensiven Tag überstanden wir die Nacht auf 4460m bei empfindlicher Kälte ohne Schwierigkeiten.

Streckenübersicht  Samdo 3950m – RUI LA – 4998m – Dharamsala 4460m [Distanz →  ~ 28 km   ↑ 1680 Hm ↓ 1200 Hm  Zeitaufwand ca. 8h]

 

 

Das 11: Dharamsala – Larkye La 5160m – Bimthang

Kurz nachdem wir unsere Stirnlampen angeknipst hatten, wurde von Nalu bereits Wake-up-Tea serviert – es war erst halb Fünf – und eine halbe Stunde später gab es ein üppiges Frühstück mit tibetischem Brot (frittierte Teigfladen), weisse Bohnen, gebratene Kartoffeln und Gemüse. In Anbetracht der Tageszeit fühlten sich insbesondere die Kartoffeln und das Gemüse relativ scharf an.

Eisig kalt war es zu dieser Zeit, die Füsse kaum mehr spürbar und die Daunenjacke auch beim Gehen noch notwendig. In der Morgendämmerung war nun die Yak-Herde sichtbar, welche nachts um die Zelte schlich und sich durch das yak-typische, tiefe und kurze brummen verraten hatte. Erst unterwegs, beim Anblick des Thulo Larkye 6249m und beim Studieren der Route vor dem Hang realisierten wir die grosse Enttäuschung über die verpasste Gipfelchance in einer einmaligen Bergwelt bei wunderbarem Wetter. Dass eine Bergsteigergruppe mit gutem und sehr erfahrenem Sherpa-Guide heute wegen zuviel Wind und damit verbundener Eiseskälte hatte umkehren müssen, war in diesem Moment nur ein schwacher Trost. Unser Gipfeltag wäre frühesten morgen gewesen, und für den morgigen Tag war schlechtes Wetter angesagt.

Die Enttäuschung war gerade jetzt riesig, traurig und wütend waren wir über die Situation – die Vorfreude war doch sehr gross gewesen. Den Pass erreichen wir nach ca. drei Stunden kurz nach 10.00 Uhr bei viel Schnee aber guter Spur. Zu unserer Überraschung haben Baldan, Sandip, Nalu und Novoraj auf uns gewartet und ein seidenes weisses Fähnchen mit unserer kleinen Expedition von „Traverse Himalaya“ beschrieben – unerwartet gibt es doch noch für alle zusammen ein freudiges „Gipfelerlebnis“. Auch mit unseren Manaslu-Freunden Olivia, Julika und Silvan freuen wir uns unter den farbigen Gebetsfähnchen. Der befürchtete eisige Wind auf dem Pass zeigte sich moderat im Vergleich zu gestern, der Himmel ist stahlblau, die Gebetsfähnchen tanzen im Wind.

Bekanntlich ist das Erreichen eines Gipfels oder in diesem Falle des Passes erst der halbe Weg und der Abstieg gestaltete sich (jedenfalls auf zwei Beinen) hier und heute sehr schwierig. Die Porters tragen nämlich ihre schweren Lasten nicht runter, sondern lassen sie runterrutschen. Dies ist ihnen nicht übel zu nehmen, denn oftmals besitzen sie Schuhe mit nur schlechtem oder gar keinem Profil. Mit ihrem Vorgehen bildet sich nach den ersten Absteigern eine kurvige, glatte Bobbahn; neben dieser Bahn zu gehen war nicht empfehlenswert, da zuviel Neuschnee lag und das Risiko einzusinken zwischen den Felsen und Steinen und damit die Verletzungsgefahr zu gross war. So rutschten wir, weil unsere Steigeisen schon fast in Bimthang waren, abwechselnd kniend auf beiden Füssen runter oder einfacher, auf dem Hosenboden. Die Porters hatten eine riesige Freude, wenn man es ihnen gleichtat und rutschend ein rechtes Tempo erreichte. Lieber durchgescheuerte Hosen als ein gebrochenes Bein, dachten wir uns – dies trifft umso mehr zu, als dass der Abtransport von hier „in case of emergency“ nur sehr erschwert möglich gewesen wäre. Der Abstieg und weitere Wegverlauf zog sich hin, bis wir nach ca. 3-4 Stunden in dichtem Nebel und kühlem Wind in Bimthang, in einem relativ neuen Teahouse, unterkamen.

Nach einer stärkenden Noudle-Soup und Café genehmigten wir uns eine „bucket-shower“ – einen Kübel heisses Wasser, welches gemischt mit Kaltwasser eine nötige Dusche nach einer Woche hergab. Natürlich war trotz warmem Wasser der Genuss mässig, da der kalte Steinboden und der bissige Wind, welcher durch die Trockenmauern des „bathroom“ fegte, einem nur einmal erzittern liess. Haare waschen, dies hatten wir von anderen Trekkern gelernt, war verboten in diesen Höhen, zu gross die Erkältungsgefahr.

In der wohnlichen Stube mit dichten Fenstern (!) genossen wir die gut tuende Wärme für Muskeln und Gemüter, tranken Tee, Popcorn zum Apéro und später gab es Fried Rice mit Gemüse. Müde krochen wir in unser Zelt; seit Tagen trugen wir unsere Mützen Tag und Nacht – doch trotzten wir der Kälte tapfer und soweit gut ertragbar.

Streckenübersicht  Dharamsala 4460m – LARKYE LA 5160m – Bimthang 3590m  [Distanz →  ~ 22 km   ↑ 720m Hm  ↓ 1500m Hm  Zeitaufwand 7h]

 

 

Day 12: Bimthang – Tiliche

Von Bimthang starteten wir erst spät, es war noch kalt und ein dichter, dunkler Nebel hing über der Gletscherlandschaft der beiden grossen Gletscher Kechakyu und Ponkar. Der Ponkar-Gletscher wird mindestens teilweise vom mächtigen Himlung Himal gespiesen. Die Bewölkung und die Kälte (Wind) bis Bimthang runter war ein Indiz dafür, dass die Gipfelaspiranten wohl heute nicht reüssiert hätten. Wie auch immer, traurig und etwas genervt um die verpasste Chance waren wir immer noch. Nach Bimthang stiegen wir auf der Ostseite entlang der Moräne und querten weiter unten das Gletschervorfeld. Dies bedeute ein imposanter Aufstieg auf die Seitenmoräne, danach einen Abstieg und eine Bachüberquerung, einen weiteren Aufstieg auf die Mittelmoräne, einen weiteren Abstieg und eine weitere Bachüberquerung und ein finaler, aber beachtlicher Aufstieg auf die westliche Seitenmoräne von mehr als 150 Höhenmeter. Ein faszinierender Rückblick zeigte uns nochmals die grandiose Landschaft mit den Gletschern, einem dunkelgrünen Gletschersee zwischen den beiden Gletschern eingeklemmt und die fantastische Gebirgslandschaft um den Larkye La Pass. Auf Wiedersehen.

Danach ging es weiter dem nun neuen Begleiter folgend, dem Dudh Khola. Die Landschaft gewann schnell an Farbe, der Herbst hat auch hier seine massgeblichen Spuren hinterlassen. Das reflektierte Sonnenlicht trennt sich auf den Elementen vom absorbierten und gelangt erfrischend und entzückend in unsere Augen. Gelb, braun-gold leuchtend, immergrüne Bodenpflanzen, viel rot auf den Bachsteinen, funkelnd der viele Glimmer in den granitisch-biotitischen Gesteinen. Mose, Farne, Bambus wechselten sich ab mit mittelgrossen mit „Miesch“ behangenen, türkise leuchtenden Tannen. Die Augenweiden erinnern etwas an die nach den Büchern von Tolkien verfilmten Geschichten Herr der Ringe. Wir halten die Augen offen nach Hobbits. Anstelle von Hobbits trafen wir dann allerdings auf eine beachtliche Gruppe von Kapuzineraffen.

Bald, aber nach mehr als 1900m Abstieg und wohl auch um die 20Km gelangen wir an den Mittagsrastplatz. Von dort nach dem Mittagessen sind es nochmals gut 3 Stunden bis Tiliche, wo wir dann in leichtem Regen und anhaltender Kälte ankommen. Unsere Unterkunft glich einer Rauchhöhle, tief im Schlafsack wurde die Luft dann genug durchgefiltert, dass trotzdem etwas Schlaf drin lag.

Streckenübersicht  Bimthang 3590m – Tiliche 2300m [Distanz →  ~ 30 km   ↓ 1900 Hm  Zeitaufwand ca. 7h]

 

 

Day 13: Tiliche – Dharapani – Dharapani

Der Weg führt an der östlichen Talseite entlang über Stock und  Stein. Der starke Niederschlag der vorletzten Woche hat seine Spuren hinterlassen. Erdrutsche mit Wurzelstöcken, Felsblöcken bieten uns einige Hindernisse. Unten überqueren wir nach dem hochalpinen Gelände nach vielen Tagen endlich wieder zwei Nepalbrücken – fast hätten wir das luftig-schwingende Gefühl vergessen gehabt!

Beim Checkpoint verhandeln wir geschickt und bezahlen nicht noch einmal Conservation Fee für den Annapurna-Circuit, obwohl wir statt talwärts, wie ursprünglich gedacht, bergwärts auch noch rund um den Annapurna wandern. In Dharapani verabschieden wir uns definitiv von Shuraj, Sandip, Novoraj & Nalu, die nun in 2 Tagen nach Kathmandu zurückreisen. Von nun an sind wir mit Tula und Baldan unterwegs – Baldan trägt unsere Taschen, selber haben wir unsere Rucksäcke vollbepackt – an die zusätzliche Balast müssen wir uns zuerst einmal gewöhnen.

Streckenübersicht  Tiliche 2300m – Dharapani 1960m Distanz →  ~ 6 km   ↓ 600 Hm  Zeitaufwand 1h

Und dann bogen wir in die Annapurna-Runde ein – mehr dazu im nächsten Bericht. 

 

Download file: gps18564.gpx

2 Kommentare

  1. Hello Sarah and Raphael!!!
    I’m Javier, but perhaps you recognize me better as Speedy Gonzalez *:) feliz . Yeeeeees, I know…. I promised you write when we were walking together in Manaslu circuit, but I’m to lazy to write in English, I’m a very bad student and my English level is still awful…
    I’ve been watching again your blog Tierra Safiri and and couldn’t avoid feel envy looking your pictures and reading yours stories.
    Let me tell you that I’m very thankful for the moments which we were living together, in the trips is wonderful to find people like you… I have very nice memories about these days.
    I hope you’re fine and I guess you’re thinking about your next aventure. I would like to go next year to Camboya and Vietnam, maybe I’ll need your help to get information about these countries, we’ll see..!!!!.
    If you’re thinking in come to Spain, please let me know, would be nice to meet again with you and sharing conversation with some beers and tapas. I remind you that I’m living in a village near Toledo, this is a very nice city, I think you’ll like it!! . My mobile number is 675099059, of course you will be welcoming at home, well… if you don’t mind live with a dog and a cat, don’t worry they’re very friendlys..

    Ok. Take care and my best wishes for one cool couple. JAVI

  2. Während ich eure Einträge lese spüre ich wie mein Herz „bürzelbäume“ schlägt..geniesst euer Abenteuer! Hoffentlich bis bald..
    I

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  1. Kingdom of Mustang – upper Mustang | sarah & raphael enroute - […] erkannten wir sofort wieder. S…

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