Kilimanjaro Kibo UHURU PEAK 5892 m ü.M.

Gepostet am Feb 8, 2012 in Afrika, Alle Berichte, Geschichten sind Speisen für's Ohr.., Hochtour, per pedes, Tanzania, Wandern T4+ | Keine Kommentare

Kilimanjaro Kibo UHURU PEAK 5892 m ü.M.

Kibo – Uhuru Peak 5892 m ü.M.

8 Februar 2012 Wandern Schwierigkeit: T4+ – Alpinwandern  Hochtouren Schwierigkeit: WS-  Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala). Zeitbedarf: 8 Tage  Aufstieg:  3700 m  Abstieg:  4100 m  Strecke: Lemosho Route 72 Km

Kilimanjaro via Lemosho-Route mit Krater Camp

Route: Lemosho (72 Km), längste Route auf den Kibo führend Wegpunkte (Übernachtungen): Start (Londorossi Gate); Mti Mkubwa Camp (2780m); Shira 1 Camp (3500); Shira 2 Camp (3900m); Lava Tower (4600m); Barranco Camp (3960m); Great Barranco Wall/ Breakfastwall (4200m); Karanga Camp (4035m); Barafu Camp (4640m); Stella Point (5730m); Crater Camp (5700m); Kibo Uhuru Peak (5892m); Abstieg via Barafu Camp; Millenium Camp (3861m); Mweka Camp (3100m); Mweka Gate (1800m).
Tage: 8 (inkl. Abstieg bis zum Mweka Gate)
Wetter: Alle 8 Tage schön; Nachmittag jeweils Nebel;  an 2 Nachmittagen Schneefall bis in die Nacht Temperatur: ~ 29 Grad C bis -18 Grad C
Gipfel (Kibo, Uhuru Peak 5892m ü.M.): Erreicht am 14.02.2012; 06:20 Uhr via nordseitigen Aufstieg vom Crater Camp

Anfahrtsinformationen:
Des Gebiet des Kilimanjaro kann direkt von Europa aus angeflogen werden. KLM, Air France, Lufthansa und Swiss lassen einen Flug aus der Schweiz (meist über Verbindungen via Amsterdam, Paris, Frankfurt, London..) zum Kilimanjaro International Airport zu. Der Flughafen liegt zwischen Arusha und Moshi. Beide Städte sind mit einem Taxi (ca. 50$ US) erreichbar. KLM bietet ein 15$-Taxi (p. Person) an, jedoch nur nach Arusha. Alternativ kann auch Dar Es Salaam an der Küste Tansanias angeflogen werden (Swiss, KLM, Emirates etc.). Allerdings dauert eine Fahrt über die sehr gefährlichen tansanianischen Strassen 8-10 Stunden nach Moshi. Öffentlicher Verkehr in Tansania ist generell als unsicher einzustufen. Man kann allerdings auch ‚domestic‘ weiterfliegen (nach Arusha Airport oder Kilimanjaro International Airport) mit Precision Air, Coastal oder Airkenya und Ethiopian Airlines etc. Ein Flugticket kostet für diese Strecke um die 200$ US und führt oft über Sansibar (15 Minuten und ab Sansibar ca. 1.5 Stunden).  Zufahrt zum Ankunftspunkt: Das Mweka Gate ist unmittelbar mit einer guten Strasse mit Moshi (20 Minuten) verbunden. Die Trekking-Organisationen bringen die Kunden üblicherweise zurück zum Ausgangspunkt (meistens Moshi oder Arusha).  Unterkunftmöglichkeiten: Arusha ist voller Hotels dank des riesigen Safari-Tourismusaufkommens (viele high-end Hotels). Auch Moshi bietet in der Stadt selbst, wie auch ausserhalb einige Unterkunftsmöglichkeiten in allen Preiskategorien. Wir kamen in Moshi im Hotel Parkview Inn www.pvim.com unter. Dieses Hotel wurde uns von der Trekking-Organisation (Mauly Tours; www.mauly-tours.com) zur Verfügung gestellt (eine Nacht vor dem Trekking, eine danach). Ps. Am besten führt man etwas US-Dollars ein. Geldwechsel nicht an den Flughäfen, nur auf Banken (wenn überhaupt nötig). Dollar kann insbesondere bei Barclays Bank mit Vorweisung des Reisepasses mit 6% Comission bezogen werden. Ansonsten ist der Bargeldbezug bei Bancomaten (ATM’s) bei Barclays, Tansania Domestic Banc und 2-3 anderen Banken möglich (Währung ist Tanzania Schilling TSH) und kann an Bankomaten bezogen werden (max. Bezugsbetrag ist oft 400’000 TSH, was einem Frankenäquivalent von ca. 230.- entspricht). Stand: Februar 2012.  Kartennummer: Kilimanjaro National Park Tourist Map & Guide 1:100’000, 2. Edition, harms ic verlag

 

lemosho  route Karte: Lemosho-Route quert den Shira-Rücken (nicht sichtbar) von Westen und das Shira 2 Camp
Hier folgt eine kurze Einführung, die keinen Bezug zu unserer Besteigung aufweist, sondern zum Gebirgsmassiv Kilimanjaro selbst. Wer diese nicht lesen möchte, kann hier direkt zum Bericht gelangen.

Kilimanjaro ein Berg?

In den Legenden der Chagga – dem am Kilimanjaro lebenden Volk – gibt es nicht viele Hinweise auf die Entstehung des Namens, so bestehen auch mehrere Theorien über die Herkunft des Begriffs ‚Kilimanjaro‘. In zwei Wörter steht ‚Kilima‘ in Swahili für „Berg“, oder „kleiner Berg“. Die Bedeutung des Wortes ‚Njaro‘ hingegen löste die bis heute nicht gelungene Etymologie des Begriffs aus. ‚Njaro‘ steht in Swahili für „weiss“ oder „scheinen“. In der Sprache der Chagga bedeutet das Wort ‚jaro‘ Karavane. Daneben besteht im Wort ‚Kilima‘ die Unschlüssigkeit, dass das Wort sprachlich einen kleinen Berg beschreibt, nicht wie das Swahili-Wort ‚mlima‘, das für den „Normalbegriff“ Berg steht. Dies könnte eine Art Parodie auf die enorme Höhe des Berges darstellen (eine Art Vernietliechung der Höhe). Eine andere Theorie kann von der Chagga-Sprache abgeleitet werden. Die Wortkonglomeration „kilemanjaare“ bedeutet „für eine Karavane unüberwindbar“. Es ist möglich, dass vorbeiziehende Händler und Reisende diese Begrifflichkeit verwendeten und dadurch den Namen Kilimanjaro prägten.
Der Kilimanjaro ist allerdings kein Berg, sondern umfasst ein Gebirgsmassiv bestehend aus drei Gipfeln, ehemals Vulkane, zwei davon sind heute eindeutig ersichtlich. Der Dritte ist nur noch anhand einzelner fossilen Merkmale erkennbar und fast vollständig erodiert.
Das Gebirgsmassiv erstreckt sich von Nordwesten nach Südosten über eine ungefähre Längenausdehnung von 45km und eine Breitenausdehnung von 28km – je nach Referenzhöhe woran man sich bei der Bemessung hält (hier: Höhenlinie 2000m ü.M.). Das Nationalparkgebiet (Kilimanjaro National Park), worin sich zentral das Kilimanjaromassiv befindet, erstreckt sich über eine Fläche von rund 800km2.
Von Westen her gesehen, befindet sich der Shira (Gipfel), der zwar mit dem Kibo (5892m ü.M.) und dem Mawenzi (5149m ü.M.) fast „zeitgleich“ im Rahmen der Tätigkeiten des grossen Afrikanischen Grabenbruchs (Great Rift Valley) entstand, allerdings heute ’nur‘ noch als ca. 25km2 grosses Plateau mit einem westseitig nord-süd ausgerichteten Rücken (Shira Ridge) besteht. Des Rückens höchster Punkt ist der Klute Point, eine kleine Spitze mit 3962m. Das Plateau selber ist ostseitig des Shirarückens zu finden und erstreckt sich über eine relativ homogene, mit kleinen bis mittleren Buschpflanzen (alpine Heide- und Moorlandschaft) bewachsen auf einer Höhe zwischen 3000 und 3600 m ü.M.
Auf der anderen Seite des Kilimanjaromassivs steht im Südosten der kleine Bruder, der Mawenzi, der beträchtlich mehr bergsteigerische Qualitäten bedarf, um bestiegen zu werden. Seit längerer Zeit ist die Besteigung des Mawenzis nicht mehr erlaubt, da der Gipfelaufbau aus sehr porösem und sprödem Material besteht. Die Erscheinung des Mawenzi stellt einen steinigen Mehrfachgipfel mit zackenförmigen Erhebungen dar. Der Name „Mawenzi“ bedeutet in der Sprache der Massai „der Dunkle“. Der Mawenzi besteht von Norden nach Süden aus den Hauptgipfeln: Weissmann-Peak (~4800m ü.M.), Hans-Meyer Peak (5148m ü.M., Hauptgipfel), Purtscheller-Peak (5120m ü.M.) und dem Londt South Peak (4956m ü.M.) und ist via Kibo Saddle in der Form eines Passes mit dem Kibo verbunden.
In der Mitte von Shira und Mawenzi ragt der Kibo heraus, mächtige Eisfelder zieren den Gipfel auf der Südseite (Southern Icefields), auf der Nordostseite (Eastern Icefields) und auf der Nordwestseite (Northern Icefields). Der Kibo hat seine höchste Erhebung im Süden mit dem Uhuru Peak (Freiheitsspitze) auf rund 5892m ü.M. Richtung Norden flankt der Gipfel steil (ca. 200Hm) ab in den Krater, worin der sehenswerte Furtwänglergletscher steht. Der Furtwänglergletscher besteht aus zwei grossen, in vulkanischem Kies stehenden Gletschern von ca. 180m x 50m Ausdehnung und der Zweite ca. 240m x 160m. Seine höchsten Wände sind geschätzt 20-25 Meter hoch und ragen vertikal nach oben.
Hinter dem Furtwänglergletscher geht’s bergauf auf gut 5800m ü.M. zum Reusch-Crater, dessen Inneres der Ash-Pit kleidet – ein dunkler, vulkanischer Schlot, der ins Berginnere zeigt und übel riechende Gase (v.a. Schwefel) ausatmet.
Auf der nordwestlichen Seite des Kibodachs steht das heute noch grösste Eisfeld (Northern Icefields). Seine maximale Ausdehnung beträgt in der Länge gut 1.5km und in der Breite etwa 1.2km. Das Eisfeld erstreckt sich nordseitig des Kibos von 5790m bis runter auf ca. 5450m ü.M. Die gesamte Eisfläche ist seit 1900 um ca. 80% von 12.2km2 auf heute noch gut 2km2 zurückgeschmolzen.

Kilimanjaro – ein Segen?

Das Kilimanjaromassiv liegt mitten in den Tropen, nur ca. 350km südlich des Aequators. Insbesondere im Frühjar (Jan-Mar) liegt der klimatische Aequator über Tansania und die ITC (Inter Tropic Convergence) über dem Gebiet. Dies bedeutet, dass die Passatwinde irgendwo über dem Gebiet zusammenkommen (to converge) und dessen zufolge in die Höhe getrieben werden. Ein persistent vorhandenes Gebirge lässt die feuchten Luftmassen auch dann ansteigen, wenn die ITC nicht über dem Gebiet liegt. Dies garantiert, neben den ohnehin zwei Regenzeiten (Mar-Mai und Okt-Nov) eine stetige Zufuhr von Wasser. Fast täglich ziehen von Süden Winde über die trockenen Steppen- und Savannengebiete Tansanias und werden am Südende des Kilimanjaro-Massivs abrupt angehoben und gelangen (je nach Temperaturkonstellation) zwischen 3000 und 4500m ü.M. zur Kondensation, weswegen sich oft nach Mittag eine Wolkenkrone um den Kibo bildet, die jeweils Niederschlag bringt.
Bei der Durchreise von Moshi (südlich des Kilimanjaromassivs) nach Arusha (südlich des Mt. Meru) und bei der Hinfahrt zum Londorossi Gate ist eindeutig ersichtlich, das dadurch eine kontinuierliche Landwirtschaft betrieben werden kann, die nicht von einzelnen Regenzeiten abhängig ist.
Hinzu kommt, dass der Boden durch die Erosion und die rund 105 Bach- oder Wasserläufe, die das Gebirgsmassiv entwässern, mit vielen Nährstoffen versorgt wird, welche eine kontinuierliche Fruchtfolge unterstützen. In diesem Sinne ist das Kilimanjaromassiv ein riesiger Segen –  es stellt den Nährboden für einen relativ grossen Wohlstand einer Teilregion Tansanias dar.
Heute fällt zudem im wirtschaftlichen Sinne das überaus grosse Tourismusaufkommen ins Gewicht. Das einzigartige Gebirgsmassiv wirkt als Magnet und stellt eine sehr grosse Einnahmequelle dar – allerdings entsteht dadurch auch viel Abfall und Umweltverschmutzung.

Safari ya ajabu – eine wunderbare Reise

 

DAY 1 2012/02/08

Londorossi Gate 2250m – Mti Mkubwa (Big Tree Camp) 2780m

Am 08. Februar 2012 um 09:20 Uhr wurden wir von Richard, unserem Guide, den wir einen Tag zuvor beim Briefing kennengelernt hatten in Moshi abgeholt. Wir hatten je einen 45L Alpinrucksack und eine 40L wasserdichte Expeditionstasche dabei (im Durchschnitt gesehen wenig Gepäck). Mit dem Jeep fuhren wir von Moshi ca. 20km auf der Hauptstrasse nach Westen Richtung Arusha. Kurz vor Ng’onbe zweigt die Strasse nordwärts ab. Nach weiteren 20km erreichten wir Sanya Juu, dort ging unser Guide auf die Suche nach unseren Trägern (Porters). Wir tranken eine Cola und schlenderten durch den quirligen, lebhaften Markt, wo viele Früchte, frisches Gemüse, Fisch, an der Sonne hängendes Fleisch und andere Waren, wie etwa Kleider und Schuhe von laut rufenden Menschen angeboten wurde. Die Leute ruften uns Mzungu (= Weisse) zu und wehrten Fotos auf Nachfrage energisch ab.
Die Strasse führte unseren Jeep weiter in zunehmends unwegsameres Gelände, entlang von angepflanzeten Felder (Mais, Karotten, Kartoffeln..). Nach etwa einer weiteren Stunde gelangten wir zum Londorossi Gate (2230m ü.M.), ganz im Westen des Kilimanjaromassivs. Das Londorossi Gate ist der westlichste Eingang in den Kilimanjaro-Nationalpark und Startpunkt für die Shira-Route (auch Londorossi-Route genannt) und die Lemosho-Route. Die Shira-Route ist die einzige befahrbare „Strasse“, die bis 4000m ü.M. auf’s Shira-Plateau führt – sie dient ausschliesslich Evakuationszwecken für Bergsteiger, die an der Höhenkrankheit (AMS (acute mountain sickness), HAPE (high altitude pulmonary edema)  oder HACE (high altitude cerebral edema)) leiden. Vorsorglich beschäftigt man sich irgendwie mit diesen Ausprägungen der Höhenkrankheit und hofft, dass es einen nicht trifft (mehr Informationen hierzu >>).
Im Eingang werden verschiedene Formalitäten geklärt. Einerseits muss man Personalien in ein Logbuch eintragen,  andererseits wird das viele Materiel (!), welches die Porter tragen müssen, gewogen und entsprechend der 15kg-Begrenzung (das wohl ohne eigenes Gepäck) pro Träger aufgeteilt. Wir waren sehr erstaunt, als wir unsere Equipe von 10 Träger, einem Koch und einem Guide für nur uns 3 kennen lernten. Die Porter trugen für uns: 3 Zelte und Zubehör, ein Gaskocher, eine mobile Toilette (im Krater Camp auf 5700m gab es keine sanitären Einrichtungen), Nahrung für 8 Tage und 15 Personen. Ausser Wasser ist eine Versorgung unterwegs nicht möglich.
Vom Gate bogen wir in eine erdige Schotterpiste ein. Die rauhe, holprige Fahrt in den tiefen Rinnen der ausgewaschenen Strasse forderte uns schon einiges ab. Mitten in dichtem Regenwald liefen wir einerseits mit einer riesigen Vorfreude im Gepäck und andererseits mit sehr viel Respekt los…der Weg ist das Ziel!
Der erste Tag – das war uns bewusst – war ein gemütliches Einlaufen durch schönen, montanen Regenwald. Weit über 1000 verschiedene Pflanzen kommen in diesen dichten Wälder vor und sie sind Habitat für 80% aller Arten, die am ganzen Massiv vorkommen. Die Wanderung ist ein stetiges auf und ab. Auf dem Weg haben wir 4 black & white colobus monkeys gesehen, eine fantastische und friedliche Begegnung. Nach ca. 3.5 Stunden kamen wir im Mti Mkubwa Camp (auch Big Tree Camp) auf 2780m ü.M. an. Das Camp liegt – wie es der Name schon andeutet – inmitten dichtem Wald, die Temperaturen lagen in der Nacht um die 18 Grad.

 

DAY 2 2012/02/09

Mti Mkubwa (Big Tree Camp) 2780m – Shira 2 Camp 3900m

Um 07.00 Uhr nach Teatime im Zelt und Frühstück mit Porridge und Toast mit Ei –  daran dürften wir uns gewöhnen müssen… liefen wir ab. Der Weg führte uns durch anhaltend grünen Regenwald, später durch kargere Landschaft dominiert durch nur noch vereinzelte Bäume, Büsche und Moose. Ab 3000m ü.M. ändert die Vegetationszone von Regenwald in Heide- und Moorlandschaft.
Wir passierten nordseitig den Shirarücken, jenes Überbleibsel, dass vom erodierten Vulkan Shira geblieben ist, gelangten danach auf das Shiraplateau, eine grosse, Richtung Osten leicht ansteigende Ebene auf 3400m. Hier sahen wir das erste Mal den Kibo, zwar weit entfernt, aber in Blickweite!
Die Sonne brannte unerbärmlich bei intermittierend frischem Wind, wir schreiteten ohne Pause voran, damit wir das Shira 2 Camp vor Einbruch der Dunkelheit erreichten. Nach einer kurzen Mittagspause auf dem zügigen Plateau beim Shira 1 Camp (3500m) nahm die Steigung zu. Um ca. 17.00 Uhr nach gut 10 Stunden und 1200Hm erreichten wir müde – und zwei von uns (inklusive mir) mit mittleren Kopfschmerzen, ansonsten aber ganz guter Dinge –  das Shira 2 Camp auf 3900m ü.M. Hier bliess uns erstmals ein rauher Wind um die Ohren. Auch im Esszelt war es unangenehm kühl geworden. Wir zweifelten erstmals ernsthaft an unserer Kälteerprobtheit.
Kurz bevor wir ins Zelt krochen brach der Vollmond aus dem Kibo aus – ein greller, riesiger Feuerball beleuchtete das Shiraplateau und dan Shirarücken im Westen – uns bot sich ein wunderbares Bild.

 

DAY 3 2012/02/10

Shira 2 Camp 3900m – Lava Tower 4600m – Barranco Camp 3985m

Bei Sonnenaufgang und wunderbarem Wetter liefen wir vom Shira 2 Camp ca. 08.30 Uhr ab. Der Weg führt entlang eines Rückens stetig bergauf, die Landschaft wird immer karger, mittelgrosse Büsche werden kleiner, der blanke, vulkanische Stein wird dominant, der Kibo und das gut sichtbare Northern Icefiled kamen immer näher. Das heutige Motto war: „walk high, sleep low„. Es war ein klassischer Akklimatisationstag, was wir zu schätzen lernten und die kommenden Tagen immer wieder praktizierten.
Nach dem Mittagessen verliessen uns die Porter, sie stiegen direkt ins Barranco Camp ab, währenddem wir unsere erste Akklimatisationsaufgabe angingen. Wir liefen Richtung Lava Tower, passierten zwei Wasserläufe, und stiegen langsam langsam auf. Das langsam langsam heisst auf Swahili pole pole und wird für jeden Besteiger am Kilimanjaro zum ultimativen Schlagwort – wir hielten uns besonders daran und liefen brav in Richard’s Rücken (auch wenn es schneller gegangen wäre). Rückblickend hatte sich sein Tempo über die ganze Wanderung hinweg auf jeden Fall bewährt!
Nach dem Lunch nahmen wir den kurzen Aufstieg zum Lava-Tower in Angriff. Oben auf der Plattform auf gut 4600m ü.M. konnten wir zwischen den dichten Nebelschwaden nur kurz von zwei Seiten einen Blick vom Lava Tower erhaschen, und das obwohl wir direkt davor standen. Von unten ist er quaderförmig, eher unspektakulär, vom Plateau aus ist es eine steil in den Himmel ragende Felsformation mit mehrere Spitzen. Er befindet sich exakt westlich des Uhuru Peak und in der Luftlinie dazu nur ca. 3km entfernt.
Wir blieben kurz bewundernd auf der Plattform stehen, Sarah und ihr Bruder hatten einen Brummschädel, ich war quickfidel), bevor es steil bergab Richtung Barranco Camp ging. Das Barranco Camp liegt in einem tiefen Tal (Great Barranco Valley), eingepfercht zwischen einer steilen Flanke auf der Westseite und einer atemberaubenden Wand (Great Barranco Wall) auf der Ostseite. Das Great Barranco Valley bot uns erstaunliche Felsformationen übersät von Senecio kilimanjari und Lobelia deckenii (Lobelien), wundersame Pflanzen, welche dieser lebensfeindlichen Umwelt trotzen. Wir versuchten Richard den deutschen Namen für die Senezie (=Riesenkreuzkraut) beizubringen – er bekundete breit lächelnd Mühe damit.. Das Tal ist entscheidend geformt worden, als vor mehr als 100’000 Jahren eine 1000m hohe Feslwand des Kibo abgebrochen und zu Tale gedonnert ist.
Im Barranco Camp angekommen, schlenderten wir nach einem Kaffee etwas durch die Gegend und analysierten den morgigen Aufstieg über die Great Barranco Wall (auch Breakfastwall genannt), die leichte Kletterei beinhalten würde. Bei Dämmerung war es merklich kühler geworden, wir mussten zum ersten mal Handschuhe und Mütze anziehen. In der Nacht fiel das Thermometer dann bis -5 Grad Celsius.
Für uns war die Kälte ein immer wieder diskutiertes Kriterium – zumal wir Schlafsäcke im Temperaturbereich um die -3 bis ca. -10 Grad hatten (Frau etwas besser ausgerüstet als Mann, aber das ist – denke ich –  auch gut so…  Richard meinte, die letzte Nacht im Krater könne gut und gerne bis -20 Grad werden… brrrr..

 

DAY 4 2012/02/11

Barranco Camp 3985m – Great Barranco Wall 4200m – Karanga Camp 4035m

Nach Porridge und Toast mit Ei liefen wir ostwärts Richtung Great Barranco Wall. Das Bild war überaus berauschend,  viele kleine Männchen waren bereits in der Wand auszumachen, bei manchen war aus der Entfernung nur die riesigen, auf dem Kopf getragenen Säcke und anderen Gepäckstücke wahrnehmbar, welche scheinbar selbstständig die Wand hochkletterten. Uns gefiel die Kletterpartie sehr! Zugleich bestaunten wir währenddessen die Träger, welche sich mit akrobatischen Einlagen die Wand hoch quälten – eine Meisterleistung! Wir hingegen, nur am Rücken bepackt, hatten einfacherhalber alle Viere zur Verfügung. Allerdings ist die Besteigung der Wall nicht massiv anspruchsvoll (I), Höhenangst sollte man aber schon nicht haben. Die Great Barranco Wall heisst auch Breakfast, weil sie immer (noch fast mit dem Frühstückstee in der Hand) unmittelbar nach dem Frühstück begangen wird.
Oben angekommen, zog uns ein kühler Wind um die Ohren, Nebelbänke schossen die Bergflanke von Süden her hoch. Die Temperatur war um die 10 Grad, die Aussicht daher etwas getrübt. Ab und zu konnten wir einen Blick zum Meru erhaschen.
Wir liefen weiter Richtung Osten, unsere Route umläuft den Kibo somit südlich des Gipfels und der Aufstieg zum Krater würde (2 Tage später) dann von Osten her (Mawenzi-Seite) sein. Allerdings nicht der selbe Aufstieg wie jener über die Marangu-Route (Coca-Cola Route). Ostwärts war in weiter Ferne schon die Flanke, wohinter sich unser Zielcamp des heutigen Tages befand, zu sehen. Vorher war allerdings noch ein Abstieg auf rund 4000m zu laufen, dann ging’s wieder hoch und dann tief runter ins Karanga-Valley, worin sich die – im Hinblick auf den weiteren Tourenverlauf – letzte Wasserquelle vor dem Gipfel befindet! So füllten wir unsere Wasserflaschen ein letztes Mal und fügten eine Wasserentkeimungstablette hinzu.
Das Wasser des Karanga River fliesst aus einer riesigen Schutthalde kaskadenhaft über Fels und Gestein und sammelt sich im darunter liegenden Tal zu einem kleinen Fluss. Zwar sieht man gruppenweise Träger, die diese Schutthalde vom darüber liegenden Barafu Camp (4600m) durchqueren, allerdings wäre es verboten (wohl eine Art „last option“). Die Porter füllten ihre 12-Liter Kanister mit Wasser und stiegen den letzten steilen Pfad hoch und wir gelangten fast geschlossen im Karanga Camp (4035m ü.M.) an. Hier besteht nur noch vereinzelt Vegetation. Dabei handelt es sich um bodennahe, kleine Büsche, viele Flechten und Grase. Ansonsten kann man den Standort des Karanga Camps in die Zone der alpinen Wüste einordnen. Diese zeichnet sich durch eine verstärkte solare Strahlung (UV), starke Verdunstungsraten und sehr hohe Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, aus.
Wir erreichten das Karanga Camp um etwa 14.00Uhr und legten uns etwas in’s Zelt. Nach einer Stunde Tiefschlaf standen wir auf und meldeten uns bei Richard ab, um unsere Akklimatisationsübung Teil 2 in Angriff zu nehmen. Wir liefen auf Anweisungen des Guides entlang der Route zum Barafu Camp, stiegen etwa in einer knappen Stunde bis 4350m auf, bis der Nebel so dicht wurde und leichter Nieselregen einsetzte. Dann kehrten wir v.a. auf Grund der schlechten Sicht um.
Zurück im Camp berichteten wir unserem Guide von unserer erfolgreichen Übung – er war sichtlich zufrieden. Die Nacht war verhältnismässig angenehm, es blieb bis am zu frühen Morgenstunden bedeckt, was die Temperatur etwas im Zaun hielt.

 

DAY 5 2012/02/12

Karanga Camp 4035m – Barafu Camp 4645m

John – ein Träger – war uns besonders ans Herz gewachsen. Immer wenn er das Zelt betrat, kam eine vertraute, herzliche Atmosphäre auf. Er kümmerte sich überaus fürsorglich um uns. Morgens brachte er heissen Tee ins Schlafzelt, abends im Camp gabs jeweils ein Becken mit warmem Wasser oder wie er zu sagen pflegte: „water for wash„. Und er servierte uns porridge, vegetable sauce, soup und all die anderen köstlichen Menus.
Wegen der guten Exposition des Karanga Camps geht bei schönem Wetter die Sonne da relativ früh auf (liegt auf einer Art Rücken). Tatsächlich war der Himmel am Morgen nicht mehr bedeckt und die ersten Sonnenstrahlen liessen eine eingehende Waschrunde (inkl. Rasur) zu. Wir waren sehr guter Dinge und hatten das erste Mal eingehend das Gefühl, dass wir diese Reise alle gut meistern würden.
Heute mussten wir nicht allzu früh aufstehen, Ablaufzeit war auf 08.00 Uhr geplant, der Weg zum Barafu Camp ist einfach zu gehen, steigt nur marginal, stetig und führt über versteinerte Lavaströme. Barafu bedeutet auf Swahili Eis, wahrscheinlich ist die Begrifflichkeit mit der da abendlich einsetzenden Kälte verbunden? Pole Pole machten wir uns um 9.00 Uhr an die Fersen eines Porters namens Mgeressa, da Richard noch mit der Organisation seiner Truppe und dem Wassertransport beschäftigt war. Glücklicherweise hatte Mgeressa sein übliches Marschtempo für uns gedrosselt – zu unserem Erstaunen waren die 600 Hm in ca. 2 Stunden überwunden, auch wenn der Laufstil nicht vom Konzept pole pole abwich.
Um etwas vor 11.00 Uhr waren wir schon im Barafu Camp auf 4645m ü.M. angekommen. Das Barafu Camp ist der letzte Standort, wo man sich registrieren muss, es besitzt sanitäre Einrichtungen (Plumpsklos und eine Rangerhütte). Es ist für weitaus die meisten Bergsteiger (Machame-, und Lemosho-Route) die letzte Übernachtungsstation. Aus diesem Grund macht es auch Sinn, dass man zu dieser frühen Zeit da angelangt. Das Verfahren ist dann in der Regel wie folgt aufgeführt: Die Bergsteiger kommen an, essen und legen sich in Ihre Zelte. Um Mitternacht laufen sie ab und überwinden 1200Hm, erreichen zwischen 06.00 Uhr und 07:30 Uhr den Gipfel und steigen möglichst schnell wieder ab.
Bei uns war die Geschichte eine andere. Wir hatten den ganzen Nachmittag frei und für uns ging es eigentlich erst am nächsten Morgen weiter Richtung Kibo. Nach dem Lunch fühlten wir uns doch etwas müde und verkrochen uns in die Zelte. Um 15.30 Uhr streckten wir unsere Köpfe nach draussen – obwohl es leicht regnete und ein eisiger Wind wehte, wollten wir unserem Körper und Geist erneut die Chance geben, sich höheren Lebensbedingungen anpassen zu können. Wir stiegen der Normalroute entlang, die zum Stella Point 5730m ü.M. führt. Die ersten ca. 200Hm sind sehr steil, man überwindet einen grossen Felsen, dann wird’s flacher und ein Weg führt über eine Ebene einem westseitigen Lawastrom entlang. Wir begegneten einem kleinen Camp auf 4800m ü.M. mit 5 Zelten. Die Steigung nahm wieder zu und auf rutschigem Kies gings zunehmend serpentineartig den Hang hoch. Unsere Zielmarke war 5000m und nach 1.5 Stunden hatten wir diese auch tatsächlich erreicht. Für uns 3 war dies ein persönlicher Rekord – nie zuvor hatten wir aus eigener Körperkraft diese Höhe erreicht gehabt – wir feierten zufrieden diesen kleinen grossen Meilenstein. Von diesem Punkt aus sahen wir wieder zum Barafu Camp runter, ein mystisches Bild einer annähernd verschwindenden Zeltstadt bot sich uns.
Bevor wir den Rückweg antraten, zogen bedrohlich dunkle Wolken in grosser Geschwindigkeit aus Südosten auf. Unterwegs beschleunigten wir unseren Gang, als es zu schneien begann. Die grau-braune Steinwüste wurde rasch mit einem weissen Schleier bedeckt; es wurde kalt. Im leichten Schneesturm fanden wir dann auch wieder ins Camp zurück – Richard hatte uns glücklicherweise noch nicht vermisst. Er war erstaunt über unsere Leistung. Er hatte ohnehin von Anfang an nie an unserem Erfolg gezweifelt! Unser Vertrauen wuchs Tag für Tag, steil dem Ziel entgegen.
Zurück im Camp rufte uns John schon bald zum Nachtessen. Es gab Gemüseeintopf mit vielen Kartoffeln und geröstetem Brot – wohl in weiser Voraussicht nicht zu viel, aber mit reichlich Kohlenhydraten gespickt. Mit der aufkommenden Dunkelheit liess der Schneefall nach und es wurde sehr kühl – mittlerweilen in Daunenjacke, Handschuhe und Mütze gehüllt (auch im Zelt) liessen wir uns die Feldflaschen mit heissem Wasser füllen. Wir wickelten die Flaschen in T-Shirts und nahmen sie in den Schlafsack – es bewirkte Wunder.. Obwohl wir vorgängig bezüglich den tiefen Temperaturen nachts besorgt gewesen waren, überstanden wir sie umhüllt vom Daunenschlafsack ohne Kälte.

 

DAY 6 2012/02/13

Barafu Camp 4645m – Stella Point 5730m – Kibo Crater Camp 5700m – Reusch Crater 5843m – Kibo Crater Camp 5700m

Um 05:30 Uhr war Tagwach, von den ursprünglich 10 Trägern kamen 6 mit in’s Krater Camp, die anderen waren entweder zu schwach oder verletzt (einer hatte sich eine Verletzung am Knie zugezogen). Kurz nach einem wunderschönen Sonnenaufgang in Eiseskälte starteten wir um 07.00 Uhr die härteste Etappe unsere Route. Lange schon blickten wir mit gemischten Gefühlen diesem Tag entgegen. Insbesondere waren wir gespannt, wie sich unsere Körper im Aufstieg und dann in Ruhe im Crater Camp an die Höhe adaptieren konnten. Nicht zuletzt brachte uns diese Etappe den landschaftlich reizvollen Gletschern, dem Reusch Krater und natürlich dem Crater Camp direkt vor dem Furtwänglergletscher nahe.
Wieder den selben Weg wie am gestrigen Akklimatisationsmarsch gings steil im Zick-zack bergauf. Ab ca. 5300m ü.M. wird die Atmung definitiv schwerer und die Geschwindigkeit langsamer. Wir machten ca. um 10.30Uhr die erste Pause zum verschnaufen, Wasser tinken, Energieriegel essen.. Von unserem Pausenplatz sahen wir bereits den Stella Point 5730m und etwas östlicher den Gillmanspoint 5681m. Einige Tourengänger kamen uns entgegen, sie befanden sich im Abstieg – darunter beunruhigende Bilder, Leute die vor Erschöpfung oder an Höhenkrankheit leidend unfähig zu gehen waren. Zwei sassen unabhängig voneinander apathisch am Boden, deren Guides daneben stehend, ohnmächtig wartend auf nicht auftretende Bessereung – definitiv beängstigende Bilder! Wir hofften, nicht so zu enden…
Es war nicht mehr weit. Mir war schwindelig, grundsätzlich fühlten ich mich gut, die Herzfrequenz war nicht so hoch, wie zuvor erwartet, aber irgendwie verliessen mich allmählich die Kräfte, der Tritt war bemühend, die Atmung schwer. Trotzdem liefen wir weiter, auch Mgeressa, der Porter, der uns in den letzte zwei Tagen immer zusammen mit Richard begleitete, machte Anzeichen von Erschöpfung (zugegeben, er hatte noch etwas mehr Gewicht auf sich..). Diese Tatsache bescherte uns Zuversicht und liess unsere Beunruhigung etwas abflauen. Auf 5600m bei einem wieteren Halt, verteilte ich eine letzte Portion Traubenzucker – der Stella Point war in Griffnähe! Vom Barafu Camp waren wir 5 hartnäckige, kräftezerrende Stunden unterwegs, und dann..
.. stehst du auf einmal vor einer in grün geschilderten Tafel: CONGRATULATIONS ! YOU ARE NOW AT STELLA POINT ALT. 5739M A.M.S.L. TANZANIA WORLD HERIATAGE SITE (das alte Schild am Stein angelehnt darunter).
Mit geschwächtem Lebensgeist brachten wir vor diesem Gipfelbrett noch knapp ein Lächeln hin, wir liessen uns von Richard und Mgeressa anstecken. Danach kommt ein kurzer Abstieg, durch Knöchel-tiefen Schnee in den Krater hinein. Die Sonnenstrahlung war so hell, trotz Brille, Mütze und Kapuze wirkte alles grell und etwas bemühend. Ich und Roland hatten starke Kopfschmerzen, als wir ca. 30 Minuten später etwa um 13.00 Uhr im Crater Camp auf 5700m ü.M. ankamen. Wir mussten uns an einen Stein anlehnen bis das Zelt aufgestellt war. Wir machten die Zelte klar und für uns gab’s in diesem Moment – trotz fabelhafter Aussicht auf den neben dem Camp stehenden Furtwänglergletscher – nur noch die Option, in den Schlafsack zu liegen und die Kopfschmerzen so in den Griff zu bekommen.
Das Programm sah vor, gegen 16.00Uhr die ca. 50-Minutige Wanderung zum View Point auf dem Kraterrand des Reuschkraters (5852m ü.M.) zu steigen. Ohne Besserung des Zustandes, liessen wir Sarah mit Richard selbst von dannen ziehen:
„Mit Richard, Mgeressa und einem weiteren Porter nahmen wir mit gemächlichem Schritt den Weg auf Richtung Reusch-Krater. Mein Herz pumpte zwar mit geschätzten 180 bei latenten Kopfschmerzen, doch ich fühlte mich trotzdem gut dabei. Oben angekommen war der Reusch-Krater von einer dichten Nebelschwade verdeckt – Enttäuschung machte sich breit. Doch wie immer war das Wetter am Berg extrem wechselhaft. In der nächsten Minute, fast unbemerkt, erschien vor meinen Augen völlig unerwartet der Reusch-Krater und wurde immer deutlicher. Ich war überwältigt von dieser unglaublich spektakulären Natur am Rand des Reusch-Kraters! Schwefelgeruch lag in der Luft, ansonsten waren keine Anzeichen vulkanischer Aktivität zu erkennen. “  [Sarah]
Wir waren hell begeistert, als berggiis strahlend zurückkam und von ihrem Erlebnis erzählte. Wir unternahmen dann alle zusammen mit etwas Überwindung ein paar Schritte und schlenderten, immer noch von Kopfschmerzen und Schwäche geplagt, zum Furtwänglergletscher und nahmen ihn etwas unter die Lupe. Die eingefangenen Eindrücke erleichterten die Sachlage etwas. Der Gletscher steht auf einem kiesiegen Boden und die Eiswände ragen vertikal in den Himmel, berauschende Bilder!
Es begann zu schneien, diesmal richtig stark, ganz feine, harte Schneekörner rieselten auf unsere Zelte. Mit der Dämmerung kam ein starker Wind auf und es wurde eisig kalt. Wir hofften, dass wir die Nacht unbeschadet überstehen würden. Beim Nachtessen waren unsere Zelte in kürzester Zeit mit Schnee bedeckt und draussen lagen ca. 10 cm Schnee. Wir dachten: eine gute Isolation! Wiederum liessen wir uns die Flaschen mit heissem Wasser bringen. Die Truppe versuchte uns unter Extrembedingungen (v.a. für sie, wegen ihrer schlechten Ausrüstung) durchzubringen. Aufopfernd kümmerten sie sich um uns. Ich schlief sofort ein, tief bis ca. 00.30. Die heisse Flasche war eiskalt geworden, dass Wasser in der anderen Falsche im Zelt durch und durch gefroren.. Von da an verwandelte sich der Schlaf in ein sich abwechselndes Prozedere zwischen Dösen und Strampeln, um der Wärme Willen, es war wirklich scheisskalt – etwa -18 Grad.

 

DAY 7 2012/02/14

Kibo Crater Camp 5700m – Uhuru Peak 5892m – Stella Point 5730m – Barafu Camp 4645m – Millenium Camp 3861m – Mweka Camp 3100m

Ca. um 05.00 Uhr erlöste ich mich vom Schlafsack und zog sämtliche Kleider, die irgendwie Wärme spendeten an, die ich nicht schon voher angezogen hatte. Ich ging aus dem Zelt, der Wind war rauh und eisig, die Dämmerung setzte ein, die Landschaft war weiss, beschienen vom violetten Himmel, ich liess mich durch die Bilder etwas ablenken und versuchte mich im Rahmen des Möglichen zu bewegen (Kopfschmerzen immer noch, allerdings nicht mehr so stark). Wir assen Porridge und tranken Tee und machten uns etwa um 05.30 Uhr auf den Weg. Vom Camp stiegen wir direkt in den zum Teil knietief mit Schnee bedeckten, steilen (bis ca. 30 Grad) und nordwärtsgerichteten Aufstieg, der uns direkt zum Uhuru Peak bringen sollte. Die Herzfrequenz war bei geschätzten 180-200 Schlägen, wir versuchten das Maximum zu Atmen um den reduzierten Sauerstoff in der Atemluft zu kompensieren. Das Schwächegefühl vom Vortag war verschwunden…
Wir meisterten die nicht ganz triviale Passage im oberen Bereich und gelangten auf den flachen Grat, der leicht aufsteigend zum Gipfel führt – die Kopfschmerzen wie weggeblasen. Ich hätte zum Gipfelschild, dass nun im Gegenlicht Kontur annahm rennen können – das Adrenalin strömte durch sämtliche Gefässe und ein unbeschreibliches Glücksgefühl umhüllte uns alle und zauberte ein zutiefst zufriedenes Lächeln auf unsere Gesichter! Um 06.20 Uhr, gefühlte 2 Minuten später (wahrscheinlich waren es 10 oder 15 Minuten), erreichten wir den Uhuru Peak auf rund 5892 Meter über Meer und waren ob der Aussicht zu tiefst beeindruckt…
CONGRATULATIONS ! YOU ARE NOW AT UHURU PEAK ALT. 5895M A.M.S.L. AFRICA’S HIGHEST POINT – WORLD’S HIGHEST FREESTANDING MOUNTAIN – WORLD HERIATAGE SITE
Bei der Ankunft auf dem Uhuru Peak ging die Sonne auf. Unser Zeitplan war perfekt aufgegangen. Die grelle Morgensonne liess die Gletscher aufglitzern und auf dem Gipfel herrschten arktische Bedingungen. Der Wind blies eiskalt, es war geschätzte Minus 20 Grad. Deshalb brauchte Richard nach ca. 15 Minuten keine grossen Überredungskünste, uns zum Abstieg zu bewegen. Sarah beklagte sich schon im Aufstieg wegen Gefühlslosgkeit in den Zehen.. meine Füsse waren auch partiell gefühllos. So liefen wir rasch runter, Richtung Stella Point. Auf dem Grat dahin bietet sich ein beeindruckender Ausblick in den Krater hinein, auf die Northern Icefields und natürlich auf die näher liegenden Southern Icefields wie auch auf den im Osten herausragenden Mawenzi.
Der Abstieg ist dann schnell erklärt: Getrieben von den Unterkühlungen Sarah’s Füsse und forciert durch Richard liefen wir im alpinen Abfahrtsstil (swahili: haraka haraka = schnell, schnell) den Berg runter. Im Barafu Camp machten wir eine kleine Verschnaufpause, in welcher wir uns auch den langen Thermo-Unterhosen und der Daunenjacke entledigten. Einen Mangodrink aus einer Glasflasche und wenige Minuten später sahen wir uns schon wieder auf der Abstiegsroute (Mweka-Route), deutlich fühlbar nahm der Sauerstoffgehalt zu und die Luft wurde feuchter. In Rekordzeit und weitaus als erste erreichten wir um 11.20 Uhr das Mweka Camp, unsere letzte Bleibe auf 3100m ü.M. Richard war sichtlich stolz auf uns – er hatte wenig zu beklagen, wir waren meines Erachtens überaus einfache Gäste. In nur gut 4 Stunden haben wir die knapp 3000 Meter Abstieg hinter uns gebracht – Richard meinte das wäre wahrscheinlich Rekord.
Am Nachmittag suchten wir nach entbehrbarer Ausrüstung wie Regenhosen, Regenponchos, Wandersocken, Thermos-, Trinkflaschen und dem übrig gebliebenem Proviant. Wir wollten jedem der Truppe etwas schenken, um ihnen die nächsten Besteigungen vielleicht ein bisschen zu erleichtern. Denn ohne ihre aufopfernde, motivierende und herzliche Arbeit hätten wir unser Ziel nie erreicht – ihnen hatten wir alles zu verdanken. So nahmen wir dann am späteren Nachmittag mit Hilfe von Richard bei allen Bestellung auf: mit 13 Flaschen Cola und 2 Flaschen Bier kamen wir zurück und prosteten auf die gelungene „Expedition Kilimanjaro“. Die sonst eher scheuen Träger kamen alle auf uns zu und wir deuteten das Lächeln und die Geselligkeit auch als Zufriedenheit ihrerseits. Ein gelungenes Gruppenfoto war die Krönung. Wir genossen den erfolgreichen Gipfelsturm immer wieder in Gedanken, währenddem sich das Mweka Camp mit anderen Gipfelstürmern füllte.
Beim Aufdecken zum Nachtessen bemerkte John mit einem breiten Lächeln: “ One knife, crater!“ und zeigte mit dem Finger nach oben. Mit dieser Geste meinte er wohl die knapp 3000 Hm Unterschied zum letzen Camp, wo wir das Messer wahrscheinlich verloren hatten. Seine weissen Zähne leuchteten im dunkelhäutigen Gesicht – wir alle lachten herzhaft… Wir legten uns ein letztes Mal schlafen am Berg – ich war immer noch zu bewegt zum schlafen und träumte im Wachzustand vor mich hin – es stresste mich aber nicht im Geringsten….
Den Tribut unseres raschen Abstiegs bezahlten wir am Tag danach – ich und Roland hatten leichten Muskelkater; Sarah’s Zehen waren blau und angeschwollen (hat sich erst nach dem Auftauen bemerkbar gemacht). Sie mühte sich am Folgetag die 1400Hm zum Mweka Gate unter Schmerzen.

 

DAY 8 2012/02/15

Mweka Camp 3100m – Mweka Gate 1800m

Nach Sonnenaufgang marschierten wir (es gab auch zum letzten Frühstück Porridge, Roland konnte die Brühe schon lange nicht mehr essen… Auf der letzten Etappe erwarteten uns nochmals 10km bergab, jedoch flacher als am Tag zuvor und auf einem gut ausgebauten Weg durch dichten (Regen-)Wald mit teilweise riesigen Bäumen und beeindruckenden Pflanzen.
Eine Begegnung hatten wir noch, einen Great Hornbill, der auf dem Schnabel eine Art Hornaufsatz besitzt. Er betrachtete unsere Bewunderung mit Argusaugen von seinem hohen Ast herab und gab eigenartige Rufe von sich.
Etwas um 11.00 Uhr kamen wir müde und jetzt verschwitzt am Mweka Gate an, da die Temperatur wieder nah an der 30-Grad Grenze lag. Richard musste unsere Wegpunkte in der Office abgeben und die Gipfelzeit notieren. Denn es gab ein Diplom für die Erreichung des jeweiligen Punktes wie Gillmans Point, Stella Point und natürlich den Uhuru Peak. Ein bisschen stolz nahmen wir dann das Uhuru-Peak-Diplom entgegen.
Wir wurden danach mit einem grossen Bus nach Moshi zurückgefahren, zusammen mit ein paar Portern. Diese Reise nahm ein Ende, unsere Reise in Tansania ging allerdings noch weiter – ganze 3 Wochen!

 

Fazit der Besteigung des Kibo

Wir haben auf verschiedene Faktoren sehr viel Wert gelegt. Insbesondere betifft dies: Ernährung, Zufuhr von Flüssigkeit und Gehgeschwindigkeit.
In 4000 m Höhe ist der Partialdruck des Sauerstoffes in den Lungenbläschen weniger als die Hälfte so hoch wie auf Meereshöhe. Da aber im Gegensatz dazu der Druck in den Zellen praktisch gleich hoch bleibt, gelangt nur noch halb soviel Sauerstoff in das Gewebe. Es steht also nur noch halb soviel Sauerstoff für den aeroben Stoffwechsel zur Verfügung. Auf fast 6000m ist der Sauerstoffgehalt nur noch etwas weniger als 50%. Das bedeutet, dass für jede Tätigkeit den doppelten Aufwand betrieben werden muss. Dies führt einerseits zu einer schnelleren Dehydrierung (hohe Atemfrequenz führt zu einem relativ hohen Flüssigkeitsverlust) und generell schneller zum Abbau von Nährstoffen im Körper (die Leistung kostet halt eben).
Dadurch ist eine gesunde und „etwas übertriebene“ Ernährung sicher nicht verkehrt. Insbesondere in den höheren Regionen (ab 4500m) ist der Appetit nicht mehr der selbe. Trotzdem haben wir immer genug Nahrung aufgenommen (der Porridge hat uns schon lange nicht mehr gemundet, trotzdem haben wir ihn immer brav gegessen). Auch die Flüssigkeitszufuhr ist sehr wichtig. Nicht nur die beschleunigte Atemfrequenz ist massgeblich am erhöhten Wasserverlust beteiligt, sondern auch die vergleichsweise trockene Luft in der Höhe, die einen Ausgleich dieses Zustandes auffordert (insbesondere wenn es sehr kalt ist). Ein gutes Rezept ist dadurch: so viel trinken, wie möglich.
In allen Höhenlagen haben wir grundsätzlich gut geschlafen. Viele Trekker beklagen sich über Schlafmanko (oft ab 4000m). Meistens haben wir durchgeschlafen und waren dadurch relativ erholt. Die letzte Nacht im Krater war auf Grund der sehr tiefen Temperaturen nicht mehr sehr erholsam. Für die absolute Erholung geht man ja auch nicht auf den Kibo.
Durch die beschränkte Akklimatisationszeit (ein generelles Problem am Klilimanjaro), ist die Laufgeschwindigkeit sehr massgeblich, denn genau nur da kann man die Zeit, deren man viel mehr benötigte, als man zu Verfügung hat, etwas verzögern. Aus diesem Grund ist pole pole nicht nur eine lustige Swahili-Floskel, sondern unheimlich wichtig und am Schluss vielleicht sogar matchentscheidend.
Wir haben zudem Micropur-Tabletten (micropur) mitgenommen. Zwar wird sämtliches Wasser abgekocht, bevor man es trinkt, jedoch ist die Siedetemperatur auf 5700m nur noch gut 80 Grad C. Einen Durchfall am Berg ist nicht nur mühsam, sondern entwässert den Körper zusätzlich. Micropurtabletten haben auch den Vorteil, dass man bei Bedarf die Flasche an einem Bach selber auffüllen kann, sollte man zu wenig Wasser erhalten (man muss etwa 1h warten, bis man das Wasser trinken kann).

Safari ya ajabu

 

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