Pashupatinath पशुपतिनाथ und Boudha बौद्धनाथ

Gepostet am Dez 9, 2013 in Alle Berichte, Asien, Geschichten sind Speisen für's Ohr.., Nepal | 1 Kommentar

Pashupatinath पशुपतिनाथ und Boudha बौद्धनाथ

Pashupatinath   पशुपतिनाथ

[24. November 2013]

Eindrucksvoll, beklemmend und faszinierend ist dieser Ort, an welchem Leichen am heiligen Fluss Bagmati in einer Zeremonie verbrannt werden – gelebte Spiritualität wird spürbar. Einerseits gespannt auf diesen heiligen Ort mit seinen spirituellen Praktiken, sträubt sich auf dem Weg dorthin etwas in einem. Sicher hat es etwas mit den eigenen Erfahrungen mit Tod, Trauer und Bestattung zu tun und mit deren Umgang in unserer Kultur. Doch es bleibt die Neugierde, der gespannte Blick auf die Rituale der Hindus, auf eine wunderschöne, farbenprächtige Zeremonie in aller Öffentlichkeit und eine überraschend erwartungsvolle Stimmung am Ende.

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Bereits zwei Wochen zuvor waren wir frühmorgens zu Fuss zum heiligen Ort Pashupatinath gepilgert, wegen Streiks fuhren keine Microbusse. An diesem Streik-Tag schien selbst in Sachen Spiritualität gestreikt zu werden, deshalb bekamen wir nicht viel zu sehen. Doch wir konnten uns erstmals an diesen aussergewöhnlichen Ort antasten. Deshalb nahmen wir heute erneut den anstrengenden, verstaubten Weg auf uns und kämpften uns diesmal by Micro durch den unbeschreiblich chaotischen Verkehr von Kathmandu.

 

Die Zeremonie

Am gegenüberliegenden Ufer des Bagmati auf Steinstufen sitzend, konnten wir am heutigen Tag eine schöne, mit aller Sorgfalt ausgeführte Zeremonie beobachten, die uns in ihren Bann zog. Andächtig sassen wir da, meist ohne zu sprechen und wenn dann nur, um unsere Beobachtungen, Emotionen und Fragen bezüglich der uns völlig fremden Praktiken mitzuteilen.

In Pashupatinath wird Shiva als Pashupati (Gott des Lebens – „Pashu“ – Leben) verehrt. Pashupati Nath bedeutet Herr des Lebens. Die Tempelanlage liegt direkt am heiligen Fluss Bagmati und ist eine der wichtigsten Tempelstätte des Hinduismus. Sie ist Pendant zur Kremationsanlage im indischen Varanasi am Ganges. Pashupatinath gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Von den männlichen Familienangehörigen wurde auf einer mit Bambusstangen gefertigten Trage ein lebloser Körper ans obere Ufer des Bagmati getragen, dort, wo das Wasser des heiligen Flusses noch „rein“ zu sein scheint. Der Körper war mit einem gelben Seidentuch zugedeckt – erst beim zweiten Blick bemerkten wir, dass das Gesicht frei war, die offenen Augen zum Himmel blickten und der verstorbene Mensch noch sehr jung gewesen sein musste. Sie liessen die Trage mit den Füssen zum Ufer nieder, Angehörige versammelten sich darum. Frische, orange-leuchtende Blumengirlanden wurden dem Verstorbenen auf den Körper gelegt. Das mit Wasser vermischte rote Tika-Pulver wurde bei der rituelle Waschung auf Gesicht und Füsse aufgetragen und dann mit dem heiligen Wasser des Flusses wieder abgewaschen. Wieder zirkulierten einige Menschen um den Toten und legten ihm Khata’s – tibetische Gebetsschäle aus weisser Seide – um den Kopf, um ihm gute Wünsche und Schutz mit auf den Weg zu geben. Dies zeigt, wie hinduistische und buddhistische Rituale vermischt werden. Sie streuten Blütenblätter über den Körper und gaben ihm Geld mit auf den Weg. Alle schienen sich nochmals von ihm zu verabschieden.

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Der Tote wurde nun flussabwärts zu den Verbrennungs-Ghates getragen, den überdachten Plattformen am Bagmati. Die „Trauerfamilie“ folgte. Auch wenn die stille und andächtige Menge sich von diesem verlorenen Menschen verabschiedete, flossen keine Tränen oder wir nahmen nicht diese Traurigkeit wie bei Begräbnissen in unserem Kulturkreis wahr. Stattdessen waren sie mit Körper und Geist dabei, sich zu verabschieden und ihren Ehemann, Vater, Sohn, Freund in einer sorgfältig ausgeführten, berührenden Zeremonie bestmöglich vorzubereiten auf das, was kommen würde. Hindus werden vom Glauben an eine Wiedergeburt geleitet und dies verlangt nach einer Vernichtung der körperlichen Hülle, um die Seele für das nächste Leben zu befreien.

Der leblose Körper wurde danach auf den Scheiterhaufen gelegt und mit feuchten Stroh zugedeckt. Wenn die Familie es sich leisten kann, wird zur Verbrennung neben dem normalen Holz das kostbare, duftende Sandelholz verwendet. Wie es die Tradition verlangt, muss der älteste Sohn oder alternativ der Bruder oder ein anderer Mann der Familie das Feuer entzünden. Wie wir von Nepali erfahren, wandelt sich auch hier die Tradition und Frauen werden zunehmend in diesen Zeremonien akzeptiert und eingebunden. An diesem Tag „lastete“ die Pflicht auf dem kleinen Jungen, ungefähr fünf Jahre alt. Zusammen mit der Mutter umschreitete er den Scheiterhaufen im Uhrzeigersinn fünf Mal, repräsentativ für die fünf Elemente im Hinduismus Erde, Wasser, Feuer, Wind und Akasna, den Äther. Mit ruhigen Schritten schreiteten die beiden um den Scheiterhaufen, der Junge ein in Butter getränkten, brennenden Strohbüschel in der Hand, welchen er nach dem Umrunden in den Mund seines Vaters steckte und das Feuer damit entzündete. Die beiden verschwanden danach sofort in der Menge, wahrscheinlich sollte sich dieses letzte Bild von ihrem vertrauten Menschen nicht in ihre Köpfe einbrennen.

Immer noch völlig gepackt von diesen, mit aller Sorgfalt ausgeführten Rituale spürten wir die friedliche und rundum schöne Atmosphäre, andererseits bedrückte uns die Tragik angesichts der Zukunft der jungen Familie, die fortan ohne Vater und Ehemann zurecht kommen musste. Mit dem Blick in die Flammen stellten wir uns vor, wie die Seele von der sterblichen Hülle befreit wurde und in den Kreislauf der Wiedergeburten eintreten konnte. Wenn die Leiche nach ungefähr vier Stunden verbrannt sein würde, wird die Asche in den heiligen Fluss Bagmati gestreut werden.

Am gegenüberliegenden Ufer waren Rituale zu beobachten, die dazu dienen, den Verstorbenen zu gedenken. Nach dem Tod eines Familienangehörigen muss ein Mann der Familie zusammen mit einem Begleiter dieses Ritual 13, 45, 90 Tagen und nach einem Jahr durchführen. Danach wird einmal im Jahr an einem beliebigen Tag den Toten gedenkt. Auf runden, in den Fluss gebauten Steinblöcken sassen sich jeweils zwei Männer im Schneidersitz gegenüber. Der Familienangehörige befolgt die Anweisungen des Priester oder Begleiters. Dazu durfte er nur ein weisses, um die Hüfte gewickeltes Tuch tragen – weiss als die Farbe der Reinheit. In den kühlen Morgentemperaturen zitterten die Männer vor Kälte. In einem aus Blättern geflochtenen Schale kneteten sie Zutaten zu einem Teig zusammen. Kombiniert mit Blüten und weiteren Opfergaben übergaben sie die Schale dem Fluss.

Eine Nebenerscheinung dieses heiligen Ortes: Die unglaublich Armen von Kathmandu fischen mit Magneten und Netzen Geld, Schmuckstücke und wahrscheinlich auch die Opfergaben aus dem Fluss und essen, was sie können.

 

Hinduismus und Buddhismus in Nepal

Ob die einfachen, frühmorgendlichen Opfergaben einer Hausfrau in Kathmandu bei einem lokalen Hindu-Tempel oder die Gesänge eines buddhistischen Mönches aus einem der Kloster im Dorf, Religion ist für die Nepali unumstritten ein Eckstein in ihrem Leben. In Nepal haben sich Hinduismus und Buddhismus zu einem wunderbaren Ganzen vermischt. Nirgendwo ist dies für uns besser sichtbar als in Boudha, dem tibetisch-buddhistischen Stupa. Dort beobachten wir im Strom der Menschen buddhistische Mönche, traditionell gekleidete Tibeter aber auch Hindu-Familie beim fleissigen Umrunden des Stupas, wie sie allesamt die Gebetsmühlen in Bewegung halten, die Gottheiten anbeten und Opfergaben machen. 

Obwohl Buddha vor über 2500 Jahren in Nepal geboren wurde, sind 80% der nepalesischen Bevölkerung Hindus und nur gerade 10% Buddhisten. Der Hinduismus hat seine Wurzeln im zentralen Indien und geht 3500 Jahre zurück. Hindus glauben an einen Zyklus von Leben, Tod und Wiedergeburt mit dem Ziel, von diesem Zyklus befreit zu werden. Mit jeder Wiedergeburt kann man der Erlösung näher kommen, oder sich auch davon entfernen, je nachdem wie viel Karma man im Laufe des Lebens anhäuft. Schlechtes Verhalten und schlechte Handlungen resultieren in schlechtem Karma und enden in einer tieferen Reinkarnation und entfernt einem weiter von der Erlösung. Wenn umgekehrt die vollbrachten Taten innerhalb eines Lebens gut waren, wird man auf einem höheren Level wiedergeboren und kommt somit der Befreiung aus dem Zyklus näher.

Der Hinduismus verfolgt drei Hauptpraktiken: Opfern und beten, die Kremation der Toten und Regulationen anhand des Kastensystems. Obwohl heute Einschränkungen und Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit in Nepal als „illegal“ gelten, ist dies im alltäglichen Leben wohl noch nicht uneingeschränkt implementiert.

 

Boudha   बौद्धनाथ

Der Buddhismus wird heute in Nepal vor allem von den Ethnien der Himalaya-Regionen wie den Sherpas und von den ungefähr 12 000 tibetischen Flüchtlingen, von welchen viele nahe der buddhistischen Stätten in Kathmandu leben, praktiziert. Die tibetisch-buddhistischen Stätte wie Boudha und Swayambhunath waren in der Vergangenheit wichtige Stationen auf der historischen Handelsroute zwischen Kathmandu und Lhasa. Die tibetischen Händler hielten hier inne um zu beten, bevor sie ihre Yak-Karawanen über die hohen Pässe des Himalaya zurück nach Hause trieben.

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Menschen umrunden den Stupa vor allem in der Morgendämmerung und immer im Uhrzeigersinn, drehen dabei die vielen Gebetsmühlen und beten am heiligen Schrein. Die rituelle Umrundung einer heiligen Stätte wird im tibetischen Buddhismus Kora genannt. In den Vollmondnächten werden Tausende Butterlämpchen angezündet, welche die Terrassen rund um den Stupa säumen. Die Umrundung der Stupa und das Drehen der Gebetsmühlen erbringt die Anhäufung von Karma für die Gläubigen. Oft sind wir früh morgens oder vor Sonnenuntergang im Strom der Gläubigen unter den wachsamen Augen des Boudha-Stupa rund herum gelaufen. Selbst mitten in der Nacht gibt es Pilger, die hier in Seelenruhe ihre Runden drehen. Es sind die friedlichsten und schönsten Momente, ohne die Touristenströme, welche tagsüber hier hin strömen

In Kathmandu gibt es keinen ruhigeren Ort als Boudhanath, wurde uns gesagt. In der chaotischen und anstrengenden Stadt haben wir die Vorzüge des Ortes schnell zu schätzen gelernt und sind nach Trekking, Volunteer-Projekt und kleinen Ausflügen in der näheren Umgebung Kathmandus immer wieder nach Boudhanath zurückgekehrt – wir fühlten uns fast ein bisschen zu Hause dort.

 

1 Kommentar

  1. Hoi zäme
    Danke für die Super-Reportage mit Einblick in eine fremde Welt mit fremden Ritualen. Superfotos!!
    LG Heinz

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