Sri Lanka – von der West- an die Ostküste Sri Lanka’s

Gepostet am Okt 19, 2018 in Alle Berichte, Asien, en vélo, Geschichten sind Speisen für's Ohr.., Ostasien, SriLanka, Südasien, Südostasien, Zentralasien | Keine Kommentare

Sri Lanka – von der West- an die Ostküste Sri Lanka’s

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von der West- an die Ostküste Sri Lanka’s

Negombo – Chilaw – Kalpitiya – Anuradhapura – Mihintale – Trincomalee

[6.-14. Oktober 2018]

Ansteckend ist die gute Laune der Menschen hier in Sri Lanka. Ihr herzhaftes Lachen, die funkelnden Augen, ihre Freude über ihr vielfältiges Land zu berichten machen es uns einfach, uns vom ersten Augenblick an wohl zu fühlen. Der herzliche Empfang lässt unsere Vorfreude für unsere Tour anwachsen. Einen ganzen Monat haben wir Zeit, die kleine Insel im indischen Ozean zu bereisen – en vélo natürlich. Ohne grossen Pläne starten wir in dieses Vorhaben. Mehr über srilankan Curry, Linksverkehr, das Meer, die Menschen und die antiken Königsstädte…

 

der erste Eindruck

[6./7. Oktober 2018]

Auf der Suche nach dem Meer kommt uns erstmals der Linksverkehr entgegen. Flexibel reihen wir uns in die hiesige Verkehrsordnung ein und überleben die ersten Erkundungstour gut. Das Rechtsabbiegen bleibt noch etwas tricky. Es fühlt sich gut an, pedalend unterwegs zu sein.

Auch die erste Meeresbrise im Gesicht zu haben tut uns gut. Fast hatten wir vergessen wie es sich anfühlt, Sand zwischen den Zehen zu haben und wie Salzwasser schmeckt. Eine halbe Ewigkeit ist es her – wohl mehr als vier Jahre – seit wir in Khao Lak das letzte Mal mit dem Meer in Berührung gekommen sind.

Sri Lankan Coconut Curry verzaubert uns gleich am ersten Abend. Wobei die bestellte Hauptspeise eher Nebensache ist. Die Beilagen wie Mango-Chutney, Coconut-Papaya-Sambal, pikante Salate wie Randen und Eggplant-Antipasti sowie Curry-Dhal zaubern uns ein Lächeln ins Gesicht, und in den Gaumen.

Kurz und knapp: der erste Eindruck ist überaus positiv und wir freuen uns auf das, was wir in dem kommenden Monat alles erleben werden.

 

Tropischer Regen

[8. Oktober 2018]
1. Tag enroute en vélo – 45 km Distanz – 10:30-14:00h enroute

Nach dem frühen Frühstück legen wir uns wieder aufs Ohr, denn draussen prasselt ein tropischer Regen auf die Palmen herunter. Erst Mitte Vormittag satteln wir unsere Drahtesel und fahren irgendwann zögerlich davon.
Es ist einfach zu warm, um die Regenmontur überzustreifen. Im Aglo-Verkehr von Negombo suchen wir uns einen Weg Richtung Norden. Überholen Busse, Three-wheeler (Tuktuk nennt man hier so) und andere Hindernisse am Strassenrand. Der Linksverkehr ist schon etwas gewöhnungsbedürftig, natürlich ein Relikt aus der Kolonialzeit der Briten. Gerade bei Stopps auf der anderen Strassenseite ist Vorsicht geboten. Beim Weiterfahren sind dort die Herausforderungen:
1. die richtige Strassenseite finden
2. sicher dort ankommen, daher beim Queren in die richtige Richtung blicken und so die Gefahren sehen
Erschwerend kommt dazu, dass gerade Velo- und Motofahrer für Kurzstrecken auf der falschen Strassenseite fahren – natürlich sind wir manchmal kurzzeitig verwirrt – Flexibilität ist angesagt.
Gefahren kommen ohnehin von überall, wie z.B. Hunde. Diese schauen nicht beim Queren einer Strasse sondern verlassen sich voll und ganz auf das Warnhupen der allerlei Vehikel. Alle Hupen beim Überholen und Vorbeifahren, wie in Indien und Nepal. Gerade die grossen Lastwagen pusten uns dabei fast weg.

Einmal halten wir in einem kleinen Café, ein andermal beim Wiedereinsetzen des sintflutartigen Regens in einer Garage. Noch bevor wir die Fahrräder im Schutz des Hauses gestellt haben, stehen beim Eingang zwei Plastikstühle parat und die Männer bitten uns freundlich, uns zu setzen. Längst sind wir völlig durchnässt, kalt haben wir trotzdem nicht.
Schlechte Laune haben wir wegen dem schlechten Wetters ebenfalls nicht, machen uns höchstens ein bisschen Sorgen wegen dem bevorstehenden Monat, falls es jeden Tag regnen sollte.
In Chilaw halten wir bereits nach 45km – genug ist genug.
Natürlich stoppt der Regen nach unserer Ankunft, so dass wir noch einen kleinen Ausflug zu den buddhistischen und hinduistischen Tempeln in der Umgebung machen können.

 

a loooong ride

[9. Oktober 2018]
2. Tag enroute en vélo – 90km – 4h fahrzeit – 8-13h enroute

Heute ist Räphu’s Birthday – trotzdem liegen 90km auf die Peninsula Kalpitiya vor uns. Sri Lankan Pancakes mit Rice Noodles und einer Ginger-Coconut-Füllung und Roti (Fladenbrote) hauchen uns neue Energie für die Etappe ein. Der lokale Filterkaffe ist wie immer etwas wässrig – wir mögen ihn trotzdem.
Zielstrebig biegen wir wieder in die Strasse Richtung Norden ein. Gehetzt werden wir bereits nach kurzem Weg von den ersten Regentropfen. Irgendwie zählt jeder Kilometer, den wir ohne starken Regen schaffen. Vorerst wollen wir nicht wieder so nass werden wie gestern – das war unangenehm.
So machen wir mal halt am Bananenstand, später trinken wir Kaffee und Ceylon Tea bei einem kleinen Lädeli.
Die meisten Menschen begegnen uns mit grossem Respekt, sprechen uns mit «Sir» und «Madam» an. Bezüglich der geplanten Tagesroute sind sie zuversichtlich und reden uns gut zu. Der Regen meint es heute nicht ernst – so kommen wir gut voran.
Der Abzweiger auf die Peninsula finden wir gut. Als wir einmal kurz abbiegen, um uns die Windräder von nahem anzusehen, werden wir von einem Motorbike-Fahrer sogleich wieder auf die richtige Bahn gebracht. Uns hält man gut im Auge. =)
Windenergie wird auf der Halbinsel verbreitet genutzt – die sich drehenden Windräder, angetrieben von einer stetigen und unversiegbaren Naturkraft und zudem für einen guten Zweck, sind für mich jederzeit einen Blickfang. Eine fortschrittliche Energiepolitik scheint hier im Gange zu sein.
Das Araliya Retreat finden wir nicht auf Anhieb – ein Three-Wheeler verrät uns den Weg. Dort werden wir herzlich empfangen und zwei Tage auf Händen getragen. Sie waschen unsere Wäsche, würden unsere Fahrräder putzen, servieren jederzeit Kaffee und Ceylon Tea, kochen wunderbar. Glücklicherweise haben wir einen soo schönen Ort für Räphu’s grossen Tag gefunden, er fühlt sich wohl hier.
Es beschwert uns ein Candle-light-dinner auf der Veranda vor unserem Cabana mit Blick auf die Lagune und das wahrscheinlich beste essen «ever». Die ganze Palette der köstlichen Gerichte mit ihrem herben Geschmäckern, süsslichen Curry’s im Dhal und in allerlei Gemüse, dem fein geraffelten Rüebli-Coconut-Sambal– eine perfekte Kombination, die uns wirklich verzaubert. Unser Koch hat hier ein wundersames Werk geschaffen, mit allem was die Natur hergibt.
Ein Ausflug in den Wilpathu Nationalpark by Boat mit Prya, dem Bootsfahrer und Guide, mit einem idyllischen Lagoon Tea kochend über dem Feuer auf einer Sandbank bei Sonnenuntergang machen den ruhigen Ort perfekt für uns.

“lagoon tea“ bei Sonnenuntergang auf einer Sandbank

“lagoon tea“ bei Sonnenuntergang auf einer Sandbank

 

ein shortcut über die Lagune bis zur antiken Königsstadt Anuradhapura

[11. Oktober 2018]
3. Tag enroute en vélo – 109km – 5:25h Fahrzeit – 7-14.30 unterwegs

Den Tag lassen wir in der Dämmerung entspannt bei einem srilankischen Frühstück anlaufen – Cassun serviert uns Kaffee, einen tropischen Fruchtteller und Coconut-Roti.
6h ist es, als Prya mit seinem Boot von der Lagune her unser Steg vor dem Retreat ansteuert. Er hatte uns auf die Idee mit der Abkürzung über die Lagune gebracht, statt wieder denselben, nicht gerade berauschenden Rückweg über die Peninsula unter die Räder nehmen zu müssen. Wir lieben unkonventionelle Wege!
Dem Sonnenaufgang entgegen und den Wind im Gesicht finden wir uns wieder, unterwegs im Boot, unsere Amar-Räder natürlich mit dabei. Prya, unser Bootsfahrer, ist ein überaus positiver Mensch mit einem ansteckenden Smile. Bei dem Anblick seines Gesichtsausdruckes und der Art, wie er durchs Leben geht, ist mir gleich der Happy Planet Index eingefallen und ich vermutete, dass Sri Lanka weit oben in der Rangliste zu finden sein musste, zumindest wenn man Prya nach der subjektiven Einschätzung seines Wohlbefindens gefragt hätte. Obwohl am Abend zuvor, als wir im Sand zusammen einen «lagoon tea» gekocht hatten, wirkte er etwas enttäuscht als er uns erzählte, dass er leider noch nicht von seinen Touren mit Touristen leben kann und vor allem vom Fischen im Meer und in der Lagune lebe. Trotzdem war er guter Dinge für seine Zukunft und wir wussten, dass er mit seinem ausserordentlich guten Blick für die Wildtiere, seinem sehr guten English und seiner überaus positiven Art seinen Weg machen würde, darüber machten wir uns keine Sorgen.

Happy Planet Index – HPI
Der Index des glücklichen Planeten ist ein Indikator für die ökologische Effizienz mit der eine Nation ihr Wohlbefinden generiert.
Das subjektive Wohlbefinden und die durchschnittliche Lebenserwartung werden dem ökologischen Fussabdruck gegenübergestellt. Somit geht der Index der Frage nach, welches Land das Wohlbefinden der heutigen Generation maximiert und die dabei entstehenden Umweltbelastungen gleichzeitig minimiert, um auch den zukünftigen Generationen die Generierung von Wohlbefinden zu ermöglichen.
Wir finden Sri Lanka auf Platz 28 von 140 aufgeführten Nationen. Die Schweiz finden wir auf Rang 25. Natürlich ist auch dieser Index mit Vorsicht zu geniessen. Wir Schweizer brauchen extrem viele Ressourcen, um diese hohe Lebenszufriedenheit erreichen zu können – konkret 5.8 Erden! Bereits Sri Lanka braucht mehr als Eine.

Im Detail:

Sri Lanka/Schweiz
Lebenszufriedenheit: 4.2/7.8
Lebenserwartung: 74.6/82.6
Ökologischer Fussabdruck: 1.3/5.8
Quelle: wikipedia

In Karaitivu kommen wir an Land. Das Dorf reibt sich gerade noch den Schlaf aus den Augen, nur die Fischer treiben auf ihren kleinen Fischerbooten und legen die Netze für den täglichen Fang aus. Eine Familie beobachtet uns beim Ankommen und Beladen unserer Velos mit erstaunten Augen und winken uns herzlich beim Wegfahren.
Von Prya gibt es eine herzliche Verabschiedung, obwohl wir uns erst seit gestern kennen. Wir umarmen uns und er wünscht uns «May god bless you!».
Wir folgen den lehmigen trockenen Wegen. Bereits die Halbinsel von Kalpitiya war muslimisch geprägt, trotzdem werden wir hier von einer radikaleren Umsetzung des Islams überrascht, zumindest was die Bekleidung betrifft. Am Wegrand gehen Frauen allen Alters. Alle sind sie in reiner weisser Kleidung unterwegs, welche den ganzen Körper bedeckt. Die erwachsenen Frauen tragen burka-ähnliche Schleier, wie sie in Afghanistan oder Pakistan getragen werden. Ebenfalls die Augenpartie ist von einem Netz bedeckt, so dass man von aussen die Augen nicht erkennen kann. Bei aller Offenheit und Akzeptanz für andere Religionen und Umsetzungen davon – ich bemerke, wie sich mein Brustkorb verengt und wie ich von dem Gesehenen erschrecke. Gerade auch als Frau sympathisiere ich mit meinen Geschlechtsgenossinnen, welche mit dieser gänzlichen Körperbedeckung doch massiv in ihrer Freiheit beraubt sind. Und dies wahrscheinlich nur eine von vielen Freiheitsbeschränkungen sein könnte.
Trotz dem Schrecken hat diese morgendliche Szenerie etwas Schönes. Die weisse Menschen-Karawane – Frauen, Männer und vor allem viele Kinder in weissen Schuluniformen auf ihrem Weg – die entlang des Weges geht, im Kontrast zur roten, erdigen Lehmpiste und den saftig grünen Palmenhaien im gedämpften Morgenlicht beschert uns ein friedliches Bild.

Ethnien und Religionen
Wenn in Sri Lanka 100 Menschen leben würden wären:
75 srilankische Singhalesen
11 srilankische Tamilen
7 srilankische Muslime
4 indische Tamilen
1 andere

70% sind Buddhisten
13% sind Hindus
10% sind Moslems
7% sind Christen

Grob gesagt, gibt es in Sri Lanka zwei Ethnien – Tamilen und Singhalesen. Die meisten Singhalesen sind Buddhisten, seltener Muslime oder Christen und die Tamilen gehören grösstenteils dem Hinduismus an.

Quelle: lonely planet, 2018

Plötzlich überholt uns ein kleiner Laster und von der Ladefläche tönt es wie aus dem nichts: «good moooorning!» Voller Energie und unverblühter Lebensfreude blicken wir in eine Horde kleiner, winkender Jungen, die weissen Zähne leuchten in ihren dunklen Gesichtern.

Muslimische Jungen auf ihrem Schulweg

Muslimische Jungen auf ihrem Schulweg

 

Räphu navigiert uns dank google-maps und der lokalen SIM-Karte durch das Labyrinth von Wegen, biegen einmal links, dann wieder rechts ab. Nach 8.5km erreichen wir die asphaltierte Strasse, welche uns nach Puttalam führt. Gerne schleichen wir unter den schattenspendenden Kokospalmen hindurch, denn die Sonne beginnt bereits stärker zu werden.
Puttalam erreichen wir nach 1.5h und 30 km pedalen. Im Zentrum biegen wir auf die Fernstrasse nach Anuradhapura ein. Etwas ausserhalb halten wir bei einer Strassenküche für Tee und Kaffee. Die Frau des kleinen Restaurants verschwindet kichernd im hinteren Teil der Blechhütte, als wir uns auf den Plastikstühlen niederlassen. Ein junger Mann, gerade beim Frühstück mit Teigtaschen und Milktea, übersetzt für uns. Die Frau wirkt deutlich erleichtert, als sie erfährt, was sie für uns tun kann.
Auf der perfekt asphaltierten Strasse kommen wir gut voran, sobald die ganze Masse des Drahtesels einmal in Bewegung gesetzt ist.
Erstaunt werden wir über Warnsignale und Infotafeln, dass Vorsicht geboten sei, da Elephanten die Strasse queren könnten. Auf beiden Seiten gibt es meterhohe elektrische Drahtzäune, die das verhindern sollen. Die Strasse kreuzt wohl natürliche Korridore der Dickhäuter. Auf der rechten Seite sehen wir grosse Sumpfgebiete – die Elephanten können das Wasser bestimmt schon von weit her riechen und lassen sich vielleicht nicht zu einem Umweg zwingen. Etwas betrübt über diesen Konflikt zwischen Mensch und Tier, wohl vergleichbar beziehungsweise deutlich ernster als der mit den Bären und Wölfen in den Schweizer Bergregionen – passieren wir 10-20km später ein Sanctuary für Elephanten – ein Schongebiet, in welchem die grauen Riesen die Strasse ohne einschränkenden Massnahmen queren können. Wir suchen beide Landflächen links und rechts von uns ab, sehen jedoch keinen. Was jedoch ab und zu über die Strasse eilt sind Eidechsen in allen Grössen. Sie sind äusserst flink, mit angehobenem Kopf und in leuchtend grüner Farbe hetzen sie wie Blitze vor uns durch. Wenn wir sie entdecken, sind sie im selben Moment auch schon wieder verschwunden.

Die Fahrt ist kurzweilig. Nachdem sich die Strasse entlang der Küste topographisch sehr langweilig präsentiert – flach wie ein Pancake – geht es heute freudig auf und ab, ohne dass es unsere Kraftreserven bedrohen könnte. Leichte Anstiege werden mit kurzen Abfahrten belohnt, die den Fahrtwind verbessern und uns wieder leicht abkühlen – immerhin.

Wie jeden Tag kaufen wir bei aufkommendem Hunger einen Bund der kleinen, aromatischen Bananen. Zusammen mit den Coconut-Roti (Fladenbrote) vom Frühstück nähren diese uns gut.
Wenn die leichte Bewölkung vor der Sonne verschwindet, sind wir der Sonne schutzlos ausgeliefert und wir bemerken, wie sich die Hitze in unsere Haut brennt und auch auf unseren Kopf – trotz Helm. Als Räphu Elephanten von der Strasse auftauchen sieht – wie eine Fata Morgana – kapitulieren wir ca. 10km vor dem Ziel und entdecken ein Restaurant.
Die junge Frau bietet uns bereits Ice Coffee und Teigtaschen an, als wir noch im Türrahmen stehen und die Sandalen ausziehen. Unser Zustand muss bedrohlich aussehen.
Gerne nehmen wir das Angebot an und beginnen am Tisch sofort an zu essen – Teigrollen mit Gemüse für mich, Samosa-ähnliche Dreicke mit Ei für Räphu. Als wir wohl immer noch hungrig aussehen, bringt sie eine weiter Portion – wir sagen nicht nein.

Nach dieser Pause am Schatten und den Köstlichkeiten schaffen wir den Entspurt locker, auch wenn es immer noch heiss ist draussen.
Ohne Umwege finden wir das bereits reservierte Hotel T&T, wo wir uns drei Nächte gönnen möchten. Die kalte Dusche zum Abkühlen des Kopfes tut auf alle Fälle gut.

 

Anuradhapura

[12./13. Oktober 2018]

Sri Maha Bodhi

In Anuradhapura lockt es uns wie alle buddhistischen Pilger auch zuerst zum heiligen Feigenbaum.
288 vor Christus soll vom indischen Feigenbaum, unter welchem Buddha zur Erleuchtung gekommen ist, ein Zweig nach Sri Lanka gebracht und hier gepflanzt worden sein. Dementsprechend ist dies ein heiliger Ort für Buddhisten Sri Lankas und wird von Buddhisten aus aller Welt anerkannt.
Inmitten von Pilgern finden wir uns wieder. Allesamt sind sie in der reinen Farbe weiss gekledet und tragen die prächtigsten Büten, welche die Natur hervorbringt. Diese wollen sie als Opfergaben an einem der Schreine niederlegen und mit gefalteten Händen beten.

 

Pilger in Sri Maha Bodhi - dem heiligen Feigenbaum Buddhas

Pilger in Sri Maha Bodhi – dem heiligen Feigenbaum Buddhas

Es ist ein wirres Durcheinander in friedlicher Athmosphäre. Familien picknicken, andere sitzen im Lotussitz und lesen laut buddhistische Schriften, eine Gruppe von Mädchen singt, andere Pilger nehmen sich einen Moment Zeit, um beim Opfern mit gesenktem Haupt, gefalteten Händen vor dem Herz und geschlossenen Augen ganz bei sich zu sein und ein paar Worte an Buddha zu senden.
Wie Buddhisten im Allgemeinen den starken Glauben haben, dass solche Opfergaben signifikante und positive Veränderungen in ihrem Leben haben, so gilt dies ebenfalls für diesen Ort. Schwangere Frauen kommen, um für eine komplikationslose Geburt und ein gesundes Kind zu bitten. Reisbauern opfern die erste Portion des geernteten Reises der frischen Ernte, um sich zu bedanken und auf weitere gute Ernten zu hoffen. Alle Buddhisten Sri Lanka’s versuchen einmal im Jahr, um an diesen besonderen Ort zu pilgern.
Ein sehr lebendiger, spiritueller und friedlicher Ort, an dem auch wir im Schatten der Feigenbäume zur Ruhe kommen können.

 

Mihintale

[14. Oktober 2018]

4. Tag enroute en vélo – 15 km Distanz

Nach kurzer Fahrt von Anuradhapura biegen wir in Mihintale schon wieder in einen unscheinbaren Feldweg ein. 15km sind zwar nicht weit, trotzdem willkommen, wenn man sie von einer längeren Etappe in zeitweise brütender Hitze abziehen kann.
In der Rockvilla, auf einem Granitfelsen gelegen, werden wir von einer singhalesischen Familie herzlich empfangen. Das einzige Gästezimmer befindet sich im oberen Stock der Villa (der hohe Standard entspricht wohl nicht dem Durchschnittsbewohner in Anuradhapura und Umgebung). Um dorthin zu kommen, betreten wir zuerst das Wohnzimmer, dann die Treppe. Ein perfekt eingerichtetes Zimmer und ein grosszügiger Balkon inmitten des üppigen tropischen Gartens mit bequemen Rattan-Liegestühlen ist unser vorübergehendes Zuhause.
Der Junge bringt uns einen Krug Ceylontea, Bananen, Wassermelone und frische Avocados, betont aber beim Absetzen der Schale: «but be careful – monkeys!»

Nach der Stärkung und der Verschnaufpause steigen wir auf unsere Velos, um die nahegelegenen Pilgerstätte zu besuchen.
Im Allgemeinen ist Sri Lanka sehr entspannt und sorgenfrei zum Reisen – die Menschen sind überaus zuvorkommend, vertrauenswürdig und wir fühlen uns überall sicher. Ohne uns Gedanken darüber zu machen, können wir unsere Fahrräder überall abstellen und schliessen sie meistens auch ab, auch wenn uns die Leute immer wieder versichern, dass dies gar nicht nötig sei.

Mihintale erhielt den Namen vom Mönch Mahinda, welcher vom indischen König ausgesandt wurde, um Sri Lanka den Buddhismus zu verkünden. Um 2. Jh. vor Christus wurde an dieser Stelle eine eine Dagoba und ein buddhistisches Kloster errichtet.
Wir begeben uns in den kleinen Strom von Pilgern, welcher auf den Medikationsfelsen führt. Obwohl die Menschen beim Begehen des steilen, manchmal stufenlosen Felsen etwas ängstlich sind, führt sie der Glaube bis zuoberst auf den Felsen. Oben klammern sich viele am Geländer fest und sind ganz ausser Atem – trotzdem haben die Meisten noch ein nettes Lächeln für uns parat.
Der Ausblick auf die nahegelegenen, strahlend weissen Dagoba und der Buddha-Statue inmitten der grünleuchtenden Vegetation ist grandios – wirklich ein schöner Ort.

Buddha-Statue die den heiligen Berg in Mihintale überragt

Buddha-Statue die den heiligen Berg in Mihintale überragt

 

Zurück in unserem Homestay wird uns bald schon das Nachtessen serviert, für welches wir bei unserer Ankunft gefragt hatten. Hier in Sri Lanka gibt es selten gemütliche Restaurants zum Essen und Verbleiben – umso mehr werden wir immer wieder überrascht von der Gastronomie der kleinen Familienbetrieben oder eben Homestays sowie kleinen Hotels.
Kapila, der Vater des Hauses, serviert uns stolz die von seiner Frau und ihm zubereiteten Spezialitäten und erklärt uns jede Einzelne. Er meint, da wir nur eine Nacht bleiben, müssten wir halt alles in einem probieren. Obwohl wir schon viele leckere srilankan Curries gegessen haben, werden wir nicht enttäuscht, im Gegenteil, ein weiteres Mal verzaubert.
Wegen dem anhaltenden Stromausfall nachts, dem nicht funktionierenden Fans und der somit aktiven Mücken ist die Nacht ausnahmsweise nicht so erholsam. Beruhigend an den srilanksichen Mücken ist, dass Malaria nicht vorkommt und Dengue-Mücken nur selten vorherrschen – somit sind die Viecher nicht gefährlich für uns, sondern einfach nur lästig.

Am nächsten Morgen früh führt uns eine 92km lange Etappe vom Landesinneren an die Küste, wo wir uns ein paar Tage entspannen und uns im Meer abkühlen wollen – Ferien von den Ferien.

Jüngere Geschichte Sri Lankas

Mit Sri Lanka verbinden wir Europäer die Fernsehbilder aus den Newssendungen die sporadischerweise über das Kriegsgeschehen in Sri Lanka zwischen 1983 und 2009 berichteten. Es waren keine schönen Bilder – im Gegenteil! Gehen wir weit zurück vor der Zeit als in Sri Lanka Krieg herrschte.

Über 2000 Jahre herrschten verschiedene Königsreiche auf der sri-lankischen Insel. Bisweilen herrschten tamilische Hindukönigreiche in Koexistenz mit singalesisch-buddhistischen Königreichen oder auch mal eine der beiden Religionsethnien über die ganze Insel. Es war nicht etwa so, dass die beiden Kulturen ständig in Krieg standen, vielmehr lebten Sie meist friedlich zusammen. 

Als im 16. Jh. die Europäer das Land (unter den Kolonialisten war der Name Ceilão oder später Ceylon bekannt geworden)  kolonialisierten, trafen Sie auf drei nebeneinander existierende Konigreiche, die die Insel beherrschten. Zwei singhalesisch-buddhistsiche in Kandy und Kotte sowie ein tamilisch-hinduistsisches Königreich im Norden in Jaffna. Unter den Portugiesen und Holländer blieben diese getrennt, erst unter den Britten wurde die Insel in eine Verwaltungseinheit „Ceylon“ umgewandelt. Viele hochkastige Tamilen wurden zum Zwecke des Vollzugs von Verwaltungsaufgaben nach Colombo geholt, wodurch diese gegenüber den Singalesen privilegiert wurden. Ebenso wurden zahlreiche indische Tamilen aus Indien geholt, um in den Teeplantagen im Inselhochland zu arbeiten. Hierdurch wurde der Tamilenanteil an der Bevölkerung von 12 auf fast 20% erhöht.

1948 wurde Ceylon unabhängig, die Spannungen aus der Kolonialzeit wurden insofern abgebaut, als dass die singalesische Mehrheit das Zepter übernahm und der tamilischen Minderheit über die Zeit hinweg quasi die üblichen Staatsrechte entzog. Dies führte zu einer starken Diskriminierung der tamilischen Bevölkerung. Ihnen mangelte es von nun an vermehrt an Partizipationsrechten in Politik und Gesellschaft, Recht auf Eigentum, Recht auf Ausbildung etc. Im Übrigen – auch hier wieder ein Verweis auf historisch sich wiederholende konservative ausgrenzende Volksbegehren, die nie gut enden: Mit dem Slogan „Sinhala-only“ entstand eine Volksbewegung getrieben durch die nationalkonservative Sri Lanka Freedom Party (SLFP) (ala Afd, FrontNational, SVP und dergleichen), die 1956 die Parlamentswahlen gewann. Es folgten weitere Diskriminierungen der Tamilen wie etwa die Aberkennung der tamilischen Sprache und die Anerkennung der einzigen Sprache der Insel, des Sinhala.

Der Krieg wurde 1983 mit einem Anschlag der Tamilen auf die Armee im Norden der Insel begonnen. Dies führte zur Ermordung meherer Tausend Tamilen, insbesondere dort, wo die Singalesen die mehrheitliche Bevölkerung ausmachte und ebenso zu einem Exodus von Flüchtlingen in einzelne Länder wie auch in die Schweiz, die rund 40-55’000 Tamilen aufnahm. 

Im Tamilgebiet setzte sich die Tamilorganisation LTTE (Liberation Tiger of Tamil Eelam) auch bekannt unter dem später als militärisch Streitkraft bekannt gewordene Organisation der Tamil Tigers. Sie setzten den Krieg, der erst relativ offen zwischen sehr gut organisierten Tamil Tigers und einem schwachen Militär von Sri Lanka geführt wurde, bis zum bitteren Kriegsende fort. Die Tamilen verwalteten „ihr Staatsgebiet“ professionell mit eigenen Schulen, militärischer Ausbildung und wurden aus dem indischen Bundesstaat Tamil Nadu mit Waffen und anderen Waren versorgt. Die Sri Lankische Armee gewann über die Jahre an Stärke und bekämpfte die mittlerweile guerilla-artig agierende Tamil Tigers gnadenlos und vehement. Indische Friedenstruppen wurden unter UN-Mandat 1987 nach Sri Lanka gebracht, mussten aber nach 32 Monaten und hohen Verlusten Sri Lanka wieder verlassen. Gleichzeitig wuchs auch innerhalb der Singalesen eine Widerstandsbewegung, die ein kommunistisches Regime aufbauen wollte. Ihre Gewalt richtete sich gegen die singalesische Mehrheit. Durch diesen Bruderkrieg wurden die singalesische Regierung wiederum stark geschwächt. 

Es installierte sich eine stabile Pattsituation indem die Tamilen den Norden und Nordosten kontrollierten und die Singalesen den Rest. Beide waren zu wenig stark um weiter vorzurücken. Im 2004 traf allerdings der verheerende Tsunami vorwiegend die Ostküste und verwüstete grosse Teile des Tamilengebiets, was sie stark schwächte. Zudem wurden ihnen Hilfslieferungen durch die Singalesen verweigert. Der Tsunami und insbesondere die Schwächung der tamilischen Marine und die Zerstörung von 6 Versorgungsschiffen durch die Armee, führte zu einer starken Offensive im Nordern der Insel. Als letzte tamilische Stadt viel Mallaitivu unter erheblichen Verlusten auf beiden Seiten und wohl auch mehrere Tausend Zivilisten. Die UN schätzte, dass zwischen Januar und Mai 2009 zwischen 20’000 und 40’000 Menschen getötet worden waren. 

Was während und nach Kriegsende folgte, dass kann man hier ausserhalb eines definitiven Rechtsspruchs sagen, war ein brutaler, widriger Genozid an den Tamilen, der bis heute nicht aufgearbeitet worden ist. Die Sache ist aber glücklicherweise nicht vom Tisch, Ban Ki-moon berief 2010 ein Expertengremium ein, dass über die Kriegsverbrechen beraten soll- Sri Lanka verweigert jegliche Kooperation. 

 

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