über Wildbäche, Schafwege, Gletscher und Oberalpstock

Gepostet am Aug 14, 2013 in Alle Berichte, Geschichten sind Speisen für's Ohr.., Hochtour, Mountains, per pedes, Schweiz, Uri, Wandern T4+ | Keine Kommentare

über Wildbäche, Schafwege, Gletscher und Oberalpstock

Unterwegs im Maderanertal

[11.-13. August 2013]

Bei unserer Rückkehr in die Schweiz hatten wir auf dem Bauernhof in Amsoldingen unser Zelt aufgestellt – unsere vorübergehende Bleibe für die milden Sommernächte. Unerwartet machten uns nachtaktive, gängebauende Mäuse unter unserer Matraze und eine Schneckenplage halb verrückt. Irgendwann hatten die Mäuse dann bemerkt, dass durch Zelt und Matraze kein Durchkommen war, ein Igel ass mehrere Nächte jeweils die Schnecken rund um unser Zelt. Ja auch in der Schweiz ist das Leben manchmal nicht ganz eifach…

DSC01335

Im Maderanertal wollten wir uns die nächsten 3 Tage die Beine vertreten, das heisst wieder etwas in Wander- und Bergsteiger-Form kommen, ein für uns unbekannter Flecken Schweiz entdecken und den lang ersehnten Sommer in der Schweizer Bergwelt geniessen – etwas, was in den letzten Jahren eindeutig zu kurz gekommen war.

Um 3:54 am Sonntagmorgen klingelte der Wecker, das Thunfest war noch in vollem Gange. Aus dem Zelt gekrochen, schnupperten wir die frische Morgenluft im Dunkeln. Wir packten unsere sieben Sachen und radelten mit den Drahteseln nach Thun, reisten per Zug nach Amsteg im Kanton Uri. In Amsteg brachte uns ein Postauto direkt nach Bristen im Maderanertal.

Das Maderanertal öffnet sich bei Amsteg zwischen dem spitzigen Bristen(-stock) im Süden und der Chli Windgällen und zieht sich, von Hochgebirge umschlossen, ostwärts bis zum imposanten Hüfigletscher hinauf. Das Maderanertal, dessen Name von einer dort zu seiner Zeit lebenden Familie stammt, erstreckt sich längs von Amsteg 16 Km bis zum Claridenpass auf 2962 im Osten und bis zur Fuorcla da Cavardiras auf 2602m ü.M. am Ende des Brunnitals. Eingangs Tal liegt das Dorf Bristen, die Fahrt dahin ist spektakulär – wenn es eine Bewertung für alpines Busfahren gibt, so ist das eine glatte B6 und der Busfahrer ein Profi! Der Bus hält direkt an der Talstation der Golzerenbahn, die uns eine halbe Stunde später nach Golzeren transportierte. In Golzeren spurten wir den steilen Wanderweg, der vom Panoramaweg Richtung Norden abbiegt, hoch. Unser Ziel war es, die Hüfihütte zuhinterst im Tal zu erreichen aber doch einen Abstecher zur Windgällenhütte zu machen. Dies bedeutete, auf der nördlichen Talseite hochzusteigen, um nach der Windgällenhütte wieder auf den Talgrund runterzusteigen, Chärstelenbach überqueren und auf der gegenüberliegenden Talseite der Bergflanke entlang zur Hüfihütte hochzusteigen.

Ein wunderschöner Wanderweg führt an der besagten Windgällenhütte vorbei und eröffnet ein wunderbares Panorama auf das Maderanertal und unser noch fernes Ziel – die Hüfihütte SAC. Nach der Windgällenhütte führt der Weg runter und stetig taleinwärts bis man unten auf dem Talboden den Chärstelenbach, der sehr viel Wasser führt, überquert. Von da an geht’s gnadenlos hoch, man steigt entlang der rechten Talflanke. Wir hatten nach den doch paar Kilometern etwas zu beissen, waren unsere Beine kaum mehr für solche unterfangen trainiert, der schwere Rucksack zog wie ein schwerer Felsklotz am Körper. Schwer bepackt mit Seil, Steigeisen, Klettergurten, Proviant und Kleider für alle Wetter und Höhen für drei- vier Tage, schritten wir gemächlich hoch. Etwas vor dem Schafloch ist am Tag zuvor ein grosser Steinschlag runter gegangen und hat den Wanderweg auf rund 100m mitgerissen – zum Glück war niemand unterwegs zu dieser Zeit!

Etwas vor 17.00 Uhr erreichten wir die Hüfihütte SAC und genossen Abendessen, Wetterspektakel und Aussicht auf den Hüfiifirn, Gross- und Chli Ruchen im Norden und auf das Gross- und Chli Schärhorn im Nordosten. Eine wirklich wunderbar gelegene Hütte in einem idyllischen, wunderschönen Tal!

Über Schafwege ins von Wildbächen geprägte Brunnital

Relativ spät am Morgen nach dem Frühstück machten wir uns auf die Socken, dem vorabendlichen Aufstiegsweg entlang, nur diesmal runter. Bei Pkt 1869 zweigt der Weg ab in den sogenannten Schafweg (weiss-blau-weiss). Steil flankt dieser Weg hoch, mehrere Male mit Eisendrähten gesichert, über feuchte Felsplatten und hohen Stufen, überschreiten wir immer wieder kleine Wasserrinnen. Kurz: „der Weg machte richtig Spass, die Talsicht wurde immer vollständiger“. Bald waren wir beim Eingang des Brunnitals in Hinterbalm angelangt. Auf einem kleinen Gipfelchen (Pkt 1915) mit einem Kreuz machten wir ausgiebig Rast mit den ersten Sonnenstrahlen und genossen die Talsicht. Später stiegen wir über den kaskadenhaften Wanderweg ins Brunnital hoch. Brunnital heisst es wohl wegen dem ganz oben liegenden Gletscher namens Brunnifirn aber sicher auch weil es überall sprudelt und quellt – ein sehr wasserreiches Tal.

Wir stiegen den doch langen Weg bis zur Fuorcla da Cavardiras (Cavardiras Lücke) auf. Der Wanderweg dahin ist im letzten steilen Schlussaufstieg teilweise nur schwer eruierbar. Zu heftig und vor allem zu lange war der harte Winter 2012-2013. Nach der Passierung dreier Schneefelder stiegen wir in durch Ketten gesichertem Fels hoch auf die Lücke. Oben hat man eine super schöne Sicht auf den Brunnifirn und den Oberalpstock, der alle Berge in der näheren Umegebung überragt.

Die Traversierung zur Camona de Cavardiras CAS ist mangels Bergweg (den hat der Gletscher wohl zerrissen) etwas mühsam und dauert mehr als eine Viertelstunde. Zufrieden genossen wir den Abend in der warmen Hütte, nun im Bündnerland angekommen.

Der Oberalpstock – eine windige und neblige Tour

Nach einer stürmischen Nacht waren wir die ersten, die sich aus den Schlafsäcken wagten. Denn wir wollten den Oberalpstock besteigen und dann über das Val Strem nach Sedrun absteigen.

Beim bereitsgestellten Frühstück pfiff draussen der Wind um die Hütte und Regen prasselte an die Fensterscheiben – schlechte Voraussetzunen für unser Vorhaben. Doch wir versuchten geduldig zu bleiben – abwarten und weiter Tee trinken war unser Plan. Um 6.15 wagten wir uns aus der Sicherheits der Hütte – draussen war es noch wolkenverhangen, weiter oben neblig und der Wind blies bis auf weiteres mässig stark. Auf dem Gletscher ging’s dem künstlichen 250m langen Gletschertisch entlang. Die Vlies-Abdeckung wurde 6 Wochen zuvor Ende Juni im Rahmen des Projekts Wandelzeit installiert und nun beträgt die Differenz zwischen durchschnittlicher Schneeoberfläche auf dem Gletscher und Tischhöhe rund 120cm. Es soll daran erinnern, dass unsere Gletscher sich im Wandel befinden und teilweise sehr stark abschmelzen. Allerdings zeigt die Schmelze hier in diesem Fall zur Zeit nicht das Abschmelzen des Gletschers, sondern jenes von darauf liegendem Schnee.

Wir entschieden uns gegen die Überschreitung der Fuorcla da Strem Sut (wäre das Schlechtwetterprogramm gewesen) und stiegen trotz Nebel und Wind in den steileren Teil des Gletschers hoch. Auf dem ersten flachen Zwischenteil auf 2950m ü.M. drehten wir leicht gegen Westen. Da wo der Gletscher etwas weniger steil erscheint dann im zick-zack gegen Osten durch ein „Täli“ hoch. Dieser Teil ist etwas steiler. Oben wieder auf einem flacheren Stück angekommen schritten wir zur Fuorcla da Strem Sura. Dort machten wir ein grosses Zick (gegen Osten) und Zack wieder gegen Westen und wir waren auf dem flachen Zwischenteil dieses imposanten Steilstücks. Hier gibt es eine – auf den Landeskarten nicht ersichtliche – Rampe, die weniger steil parallel zum oberhalb liegenden Felssporn führt, der sich etwas mehr gegen runter zieht. Dort angelangt, stiegen wir  in das Couloir hoch, was sich aber nach einiger Zeit als völlig idiotisch und falsch rausstellte (lose Steine, keinen Tritt, ziemlich ausgesetzt…). Nach Wiederabstieg sehen wir im immer noch dichten Nebel einen Steinmann, dem wir dann auch folgen und recht bequem über Stein direkt zum Gipfel hochsteigen können. Der Weg über Fels führt ab dem Gletscher geschritten zuerst ein paar Meter Richtung Osten über Stein und Fels.  Die Freude ist gross, umso grösser, zumal wir unser Projekt Oberalpstock im Couloir schon aufgegeben sahen!

Weil es zügig-kühl war auf dem Gipfel, stiegen wir nach nur wenigen Minuten wieder ab. Der Abstieg über Fels, die steile Gletscherpassage und die Fuorcla da Strem Sura erfordern nochmals viel Konzentration und etwas Navigationsvermögen, weil der Nebel immer noch dicht war. Dank dem vielen Schnee im oberen Bereich nach dem Übergang über die Fuorcla da Strem Sura haben wir unsere Kräfte sicher etwas schonen können. Nach der Fuorcla da Strem Sura tut man gut daran nach links, also talauswärts zu traversieren. Ganz links im Abstiegsbereich besteht dann ein gelb-rote markierter Weg (manchmal nur schwer ersichtlich), der ins Val Strem auf die Alp Strem runterführt. Der ist etwas einfacher zu gehen, als über Schotter und Stein zu gehen.

Nach rund 9 Stunden, Brunnifirn, Oberalpstock und fast 2000m Abstieg kamen wir im wunderbaren und sehr warmen Sedrun an und gönnten uns einen Gipfelwein im Zug über den Oberalppass nach Andermatt durch den Furka nach Brig und Thun.

Für unsere untrainierten Rücken und Beine war es zeitweise etwas anstrengend, die sehenswerte Kulisse des Maderanertal und vom Oberalpstock entschädigten jedoch ständig für die Strapazen.

 

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.