Wetterhorn via Willsgrätli

Wetterhorn via Willsgrätli

Das Wetterhorn ist für mich einer der faszinierendsten Berger des Berner Oberlands, dessen senkrechte rund 1600m in den Himmel ragende Nordostwand von der Grossen Scheidegg ich immer wieder ehrfürchtig entgegen sehe. Neben dem nicht minder imposanten Berner Dreigestirn prägt es den Blick ins Berner Oberland massgebend. Als nördlicher oder nordöstlicher Pfeiler der Berner Hochalpen ist das Wetterhorn eine wahre Augenweide und vielfältig in der Betrachtung aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen zugleich. Das Wetterhorn ist der vorderste Berg der Wetterhörner, nachfolgend gegen Südosten folgen das Mittelhorn und das Rosenhorn – quasi das Dreigestirn des Oberhasli. Wegen der besonderen Lage zwischen Oberhasli und Jungfraugebiet heisst das Wetterhorn auch Hasle Jungfrau. Eine Besteigung des Wetterhorns geisterte bereits einige Jahre in unseren Köpfen herum und nachdem wir in den Vorjahren andere Berge im Kopf hatten, war nun der Moment gekommen.

Die Besteigungsgeschichte des Wetterhorns geht zurück auf einen 31. August im Jahr 1844 durch Melchior Bannholzer und J. Jaun mit zwei Führer des Professors Desor. Desor war von Hause aus Jurist, wurde aber später als Paläontologe und Geologe bekannt. Sie stiegen vom Rossalaui her durch den Wetterkessel und über den Wellhorn- gefolgt vom Wettersattel auf den Gipfel des Wetterhorns.

Die zweite Besteigung rund ein Jahr später wurde durch die Herren Agassiz, Vogt und Bovet über den Lauteraar- und Wettersattel durchgeführt. Doch sie alle hatten den bis dahin schönsten Zustieg, jedenfalls der etwas einfacheren, noch nicht gefunden. Die Besteigung von der Grindelwaldner Seite gelang aber dann rund 10 Jahre später, am 17. September 1854 durch Sir Alfred Wills mit Balmat, Simond, Ulrich Lauener und Peter Bohren, die kurz unter dem Gipfel unter fluchendem Geschrei auf Christian Almer (da wurde mir eine Verbindung zu einem anderen Gipfel in der Region und einer ähnlichen Geschichte vor Augen gehalten) und Ulrich Kaufmann stiessen. Mit viel Überredung und scheinbar heftigem Wortgefecht durfte die „englische“ Seilschaft, in der Meinung sie würde die Erstbegehung des Wetterhorns in die Tat umsetzen, den Gipfel zuerst erklimmen. Wills gab dem Willsgrätli aber immerhin den Namen, ein schöner Aufstieg auf das Wetterhorn! Das Willsgrätli gilt neben dem Zustieg von der Dossenhütte als Normalroute und kürzerster aller langen Zustiege zum Wetterhorn.

Routenbeschreibung:
Von der Glecksteinhütte folgt man in der Dunkelheit den weiss-blau-weissen Markierungen Richtung Chrinnehorn, bei einer nicht eindeutigen Markierung steigt man rechts und folgt von da an weissen Strichen, die einem über Fels und Gneise zum Chrinne(n)gletscher führen (ca. 1h). Den Chrinnegletscher steigt man zuerst ziemlich steil auf ein Plateau und quert den Gletscher danach östlich in einer leichten gegen das Wetterhorn drehende Kurve zum Felssporn (Gneis) der gegen das Tal runter kommt. Bei Ausaperung des Gletschers erreicht man den Einstieg näher an den oberen Felswänden entlang (weil da die Schneeauflage oft noch genügend ist). Achtung vor doch einigen auch grösseren Spalten. Beim Einschnitt im Felssporn folgt man Wegspuren und steigt auf den Grat, diesem folgt man dann bis das Gestein von Gneis auf feinsplittrigen Kalk wechselt (nicht so einfach bei Dunkelheit) in einfachem schuttigen Gelände (Frühstücksplatz). Wichtig ist, dass man danach etwas rechts bleibt, damit man die Traverse (2 Sicherungsstangen, eine kleine in der Rinne und eine zweite gegen das Tal gebogene leicht gegen oben versetzt) findet. Es rät sich also dort auf das Willsgrätli zu queren (nach Osten) und nicht weiter oben, wo es mehrheitlich unangenehmer wird. Ist man mal auf dem Willsgrätli steigt man dem breiten zuerst noch einfachen Grätli entlang. Ca. 400m weiter oben steigt man über ein kleines senkrechtes Stück in einem Kletterzug hoch und bleibt dann mehrheitlich auf dem Grat.

Mönch und Eiger im Morgenlicht

Der Grat ist mal schmal, mal wieder breit und ab und zu über kleine Türme (II-IV). Ca. in der Mitte hat es einen Haken mit Maillon (gut für’s Abseilen beim Abstieg, denn da ist der Abstieg doch etwas heikel). Die Kletterei ist anhaltend, eine gute Seilhandhabung ist Voraussetzung, dass man hier nicht zu viel Zeit verliert. Das Willsgrätli ragt oben steil in die Höhe und verliert sich in einem grossen Turm auf dem Wettersattel, den man östlich (rechts) umgeht und so über Schutt und eine heikle Traverse den Wettersattel erreicht. Vom Wettersattel dreht man gegen Nordosten und folgt dem Grat, der immer steiler wird. Je nach Bedingungen steigt man ziemlich steil direkt im Couloir ostlich (rechts) auf (bei gutem Trittschnee) oder folgt den Sicherungsstangen (ca. 6-8) bis zum Gipfel. Die Gipfelflanke kann je nach Bedingungen sehr heikel sein.

Aufstieg: ca. 1500Hm, Zeit nach Tourenführer: 5-6h, Abstieg 5-6h.

Abstieg: Abstieg über das Grätli ist meiner Meinung nach nicht zu unterschätzen und braucht mindestens gleich viel Zeit wie der Aufstieg. Der Abstieg ist auf Grund der Gesteinart, sowie des vielen losen Gestein teilweise heikel und ein sicherer Umgang mit Seil ist notwendig. Alternativ kann nach der Passierung weg vom Willsgrätli (gleiche Stelle wie beim Aufstieg) über das Lohners Wägli abgestiegen werden. Dabei zieht man nach der Traversierung weg vom Willsgrätli direkt Richtung Westen und sucht sich da entlang (nicht zu stark absteigen) einen Weg. Ab und zu sieht man Wegspuren. Das Wägli ist weiterhin am kurzen Seil zu gehen. Das Lohner Wägli endet in etwa in der Mitte (Ost-West) des Chrinnegletschers wo man etwa 5m über eine glatte Gneisplatte auf den Gletscher gelangt.

Geologie:
Das Wetterhorn ist geologisch insofern interessant, als dass man im Hüttenzustieg über den interessanten Ischpfad erst mal durch Kalk hochstiegt. Unterhalb der Hütte (Ablagerung des Kalksteins im Urmeer Thetys um 300Mio Jahre). Ab der Glecksteinhütte bis unters Willsgrätli ist das Aarmassiv dominant in der Form von uralten Gneisen (kristallin), ab dem Willsgrätli dominiert wieder der Kalk. Dem ist insofern auch Rechnung zu tragen, als dass man technisch gesehen mit verschiedenen Steinen „zu kämpfen hat“.

Willsgrätli up, Willsgrätli down und übers lohnende Lohners Wägli auf den Chrinnegletscher

[22.08.2017] Nach gemütlichem Frühstück zogen wir um 4:30 Uhr los gegen den Chrinnegletscher, den wir auf Grund der wirklich guten Markierung sehr gut fanden und damit auch keine Zeit verloren (ca. 1h). Auf dem Weg überholten wir einen Bergführer mit Gast. Heute waren nur 6 Seilschaften unterwegs. Eine Seilschaft war uns zuvor, was uns natürlich jetzt die Wegfindung um einiges erleichterte. Am Gletscher zogen wir die Steigeisen an und seilten zuerst am kurzen Seil an. Der Gletscher war mehrheitlich (bis auf’s obere Ende) aper und der erste Hang ordentlich steil. Wieder auf dem Flachen, drehten wir direkt östlich zum Einschnitt im Felssporn, hin und her durch die Spalten im wieder steil abschüssigen Gletscher konnten wir die geschlagenen Tritte des Bergführers nutzen und gelangten so am Felssporn an. Ohne Steigeisen an den Füssen stiegen wir auf den Sporn und folgten diesem direkt gegen das Wetterhorn zu. Beim Wechsel des Untergrundes (Gneis geht langsam zurück und das typisch kantig-schiefrige Kalk wird allgegenwärtig) sah ich den Steinmann etwa 30m weiter oben. Dort konnten wir über einen Kanal zum Willsgrätli passieren und auch die Sicherungsstangen fanden wir da. Achtung: Dieser Steinmann dürfte nicht immer da sein!

Jetzt war wieder laufen am kurzen Seil über Blöcke und Schutt angesagt. Weiter oben wechselt das Gelände und von nun kletterten wir frohen Mutes in abwechselnder Schwierigkeit. Aber wir kamen gut voran und hatten die Lage jederzeit im Griff. Gar schon genüsslich stiegen wir dem Grat entlang bis wir im oberen Viertel zum ersten Mal auf Wassereis stiessen. Das war dann etwas unangenehm und entstand wohl durch den vorabendlichen Nieselregen. Bei der senkrechten Turmlandschaft nutzen wir zur Sicherheit ab und an mal einen Friend. Der mässige Westwind, der vom Wetterbericht gemeldet war, zog uns nun um die Ohren, weswegen wir auch wieder die Jacken und Mützen anziehen mussten. Bald erreichten wir aber trotzdem den Wettersattel und freuten uns auf die Sonnenstrahlen, deren Erwärmung wir nun bitter nötig hatten.

Vom Wettersattel aufwärts war nun vorerst mal nicht all zu schwieriges Gelände, doch waren wieder einige Stellen mit Wassereis überzogen. Aber je weiter hoch wir gelangten, desto weniger Eis war auf dem Grat. Im Einstieg in die steile Gipfelflanke war zum Glück wieder alles trocken und so folgten wir den Sicherungsstangen und erreichten ca. etwas nach 08.15 Uhr den Gipfel des Wetterhorns!! Der Tag war wunderschön und wir genossen den Rundumblick, welcher wirklich alles Versprochene und vielleicht noch mehr hergibt – ein Supergipfel!

Weil’s so schön war, blieben wir eine Zeit lang oben. Der kalte Nordwestwind liess uns aber eine ausgedehntere Gipfelpause direct on summit erst 5 Meter hinter dem Gipfel machen, weil wir da in Angesicht des Mittelhorns und v.a. im Windschatten sowie an der warmen Sonne den Morgen geniessen konnten.

Gipfel – Wetterhorn

Der Abstieg, wie oben im Routenbeschrieb bereits erwähnt, ist um einiges schwieriger, als im Aufstieg vermutet. Nun war insbesondere Vorsicht geboten, weil doch langsam auch etwas Müdigkeit in die Glieder kroch und auch die Konzentration etwas nachliess.

Doch meisterten wir das sich in die Länge ziehende Willsgrätli bis runter zu den vom Grätli wegweisenden Sicherungsstangen (wir hatten länger als im Aufstieg). Nebenbei sie vermerkt, dass es im Abstieg einen Borhaken mit Maillon gibt. Dort rät es sich kurz abzuseilen, ca. 10m über die untere Felskante ebenfalls. So erleichtert man sich den wirklich mühsamen Abstieg ohne Tritt und Griff (III), der bei einem Sturz unschön enden könnte. Sichern kann man die Passage auch nicht recht!

Dank dem Bergführer, der uns nun (wegen des oben besagten Abseilmanövers) wieder überholt hatte, durften wir ihm über das Lohners Wägli folgen, welches wir so nicht geplant hatten aber was wir doch nun als willkommene Erfahrung ansahen. Er meinte, die Hüttenwarte hätten es ihm empfohlen und waren gerade erst dort durchgegangen. „Wägli“ ist vielleicht etwas übertrieben, aber es funktioniert! :-)

Ab dem Gletscher angekommen, futterten wir an unseren Reserven rum, deren es noch einige hatte! Nach ziemlich genau achteinhalb Stunden waren wir um 13.00 Uhr wieder in der Glecksteinhütte und genossen eine Rösti auf der wunderbaren Terrasse!

Der interessante Abstieg ins Tal kann man sehr schnell gehen, v.a. wenn man das Gefühl hat, man könnte das Postauto um 14:50 Uhr noch erwischen, was dann so gerade noch aufging, aber auch nur weil es ca. 1 Minute Verspätung hatte. Mit rotem Kopf und total glücklich erreichten wir Grindelwald. Was für ein Tag, was für eine Tour! Wetterhorn, wir kommen wieder !!

Tourdetails:
Schwierigkeit: ZS (-ZS) III, Auf- und Abstieg: 8:15h, Höhenmeter Gleckstein-Wetterhorn-Gleckstein: ca. 1400m, Abstieg vom Gipfel bis zur Postautohaltestelle (Grindelwald, Abzweigung Gleckstein): ca. 2200m. Wegzeiten. Glecksteinhütte: 4.30Uhr, Chrinnegletscher: 5:30Uhr, Wettersattel: 07:40Uhr, Gipfel: 08:15Uhr. Abstieg: Ca. 12:20Uhr ab dem Chrinnegletscher (Gipfelpause ca. 20 Minuten).

Literatur: Silbernagel/Wullschleger, Berner Alpen, 3. Auflage, topo.verlag, 2016. / Ueli Mosimann, Hochtouren Berner Alpen, Vom Sanetschpass zur Grimsel, 2. überarbeitete Auflage, Verlag des SAC, 2006.

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